Schwächere, benachteiligte oder behinderte Jugendliche bekommen oft keine Chance auf einen Lehrplatz und eine betrieblichen Erstqualifizierung. Auf Initiative der Sozialpartner wurde daher eine Form der Ausbildung entwickelt, die den unterschiedlichen Bedürfnissen dieser Personen nach optimaler Ausbildung entsprechen soll. Diese Berufsausbildung mit verlängerter Lehrzeit oder Teilqualifizierung ist im Berufsausbildungsgesetz geregelt.
Zielgruppe
Personen, die vom Arbeitsmarktservice nicht in ein reguläres Lehrverhältnis vermittelt werden konnten und auf die eine der folgenden Voraussetzungen zutrifft:
Personen, die am Ende der Pflichtschule sonderpädagogischen Förderbedarf hatten und zumindest teilweise nach dem Lehrplan der Sonderschule unterrichtet wurden
Personen ohne Abschluss der Hauptschule oder der Neuen Mittelschule beziehungsweise mit negativem Abschluss einer dieser Schulen
Personen mit Behinderung im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes beziehungsweise des jeweiligen Landesbehindertengesetzes oder
Personen, von denen aufgrund des Ergebnisses einer Beratungs-, Betreuungs-, oder Orientierungsmaßnahme und einer weiteren fachlichen Beurteilung angenommen werden muss, dass für sie aus ausschließlich in der Person gelegenen Gründen der Abschluss eines Lehrvertrages nicht möglich ist.
Personen, die diese Berufsausbildung absolvieren, gelten als Lehrlinge im Sinne
des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes,
des Familienlastenausgleichsgesetzes,
des Arbeitslosenversicherungsgesetzes,
des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes und
des Einkommensteuergesetzes.
Für Personen, die sich in einer vorgelagerten Berufsorientierungsmaßnahme befinden, gilt diese Gleichstellung bis zum Ausmaß von 6 Monaten.
Ausbildungsweg für Lehrverhältnis mit verlängerter Lehrzeit
Inhalt: Während der verlängerten Lehrzeit ist der gesamte Inhalt des jeweiligen Berufsbildes (Kenntnisse und Fertigkeiten) zu vermitteln.
Dauer: Sofern es für die Erreichung der Lehrabschlussprüfung notwendig ist, kann eine gegenüber der für den Lehrberuf festgesetzten Dauer der Lehrzeit eine längere Lehrzeit im Lehrvertrag vereinbart werden (Verlängerung um höchstens 1 Jahr, in Ausnahmefällen bis zu 2 Jahren). Dies kann entweder am Beginn oder im Laufe des Lehrverhältnisses geschehen.
Arbeitszeit: Bei Vorliegen folgender Gründe kann eine Reduktion der täglichen oder wöchentlichen Normalarbeitszeit bis auf die Hälfte vereinbart werden:
wegen Kinderbetreuungspflichten, bis zum Ende des Jahres des Schuleintritts des Kindes,
aus gesundheitlichen Gründen.
Die Gesamtdauer der verlängerten Lehrzeit darf zusätzlich um bis zu einem Jahr verlängert werden.
Lehrabschluss: Die verlängerte Lehrzeit wird mit der Lehrabschlussprüfung abgeschlossen.
Berufsschule: Der Besuch der Berufsschule ist verpflichtend.
Ausbildungsweg für Ausbildungsverhältnis mit Teilqualifizierung
Inhalt: Inhalt der Teilqualifizierung sind bestimmte Teile eines Berufsbildes, allenfalls ergänzt um Fertigkeiten und Kenntnisse anderer Berufsbilder. Im Ausbildungsvertrag sind diese Ausbildungsinhalte, die Ausbildungsziele und die Zeitdauer zu vereinbaren.
Dauer: Die Dauer dieser Ausbildung kann zwischen 1 Jahr und 3 Jahren betragen.
Arbeitszeit: Bei Vorliegen folgender Gründe kann eine Reduktion der täglichen oder wöchentlichen Normalarbeitszeit bis auf die Hälfte vereinbart werden:
wegen Kinderbetreuungspflichten, bis zum Ende des Jahres des Schuleintritts des Kindes,
aus gesundheitlichen Gründen.
Die Gesamtdauer der Ausbildungszeit darf in diesen Fällen 4 Jahre nicht übersteigen.
Ausbildungsabschluss: Zur Feststellung der erworbenen Qualifikationen kann innerhalb der letzten 12 Wochen der Ausbildung eine Abschlussprüfung durchgeführt werden.
Berufsschule: Es besteht das Recht beziehungsweise die Pflicht zum Besuch der Berufsschule nach Maßgabe der vereinbarten Einbindung in den Berufsschulunterricht.
Wechsel zwischen den Ausbildungsarten
Bei einer Ausbildung in einem regulären Lehrberuf, einer Ausbildung mit verlängerter Lehrzeit oder bei einer Teilqualifizierung ist ein Wechsel in eine jeweils andere dieser Ausbildungen möglich. Voraussetzung dafür ist, dass im Einvernehmen mit der Berufsausbildungsassistenz und unter Einbeziehung der Bildungsdirektion eine derartige Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien abgeschlossen wurde.
Bei einem Wechsel sind im Einvernehmen mit der Berufsausbildungsassistenz die in der Folge noch erforderlichen Ausbildungsinhalte und die Ausbildungsdauer festzulegen.
Anrechnung der Teilqualifizierung auf Lehrzeiten
Wenn bei einer Teilqualifizierung die Abschlussprüfung erfolgreich abgelegt und auch das berufsfachliche Bildungsziel der ersten Schulstufe der Berufsschule erreicht wurde, so ist bei einer anschließenden Ausbildung
in einem regulären Lehrberuf oder
in einer verlängerten Lehrzeit
zumindest das 1. Lehrjahr anzurechnen, sofern nicht zwischen Lehrberechtigten und Lehrling eine weitergehende Anrechnung vereinbart wurde.
Ausbildungsorte
Die Ausbildung kann in Lehrbetrieben oder in Ausbildungseinrichtungen durchgeführt werden. Diese Einrichtungen bedürfen dazu allerdings einer Bewilligung des Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.
Entlohnung
bei Ausbildung in Lehrbetrieben: Hier sind die jeweiligen Bestimmungen des zutreffenden Kollektivvertrages heranzuziehen.
bei Ausbildung in einer Ausbildungseinrichtung: Hier wird die Höhe der Ausbildungsbeihilfe vom AMS festgelegt. Üblicherweise wird eine Beihilfe im 1. und 2. Lehrjahr in der Höhe von € 385,50,- und ab dem 3. Lehrjahr in der Höhe von € 890,70 pro Monat ausbezahlt (Werte für 2024). Diese Beihilfe wird auch „Beitrag zur Deckung des Lebensunterhalts“ (DLU) genannt.
Ansprechpartner
Neben den beiden Vertragsparteien und etwaigen Erziehungsberechtigten sind dies:
Arbeitsmarktservice: Das Arbeitsmarktservice versucht grundsätzlich alle Jugendliche in reguläre Lehrstellen zu vermitteln. Wenn dies nicht möglich ist, wird versucht, Personen auf welche die Voraussetzungen für die Berufsausbildung mit verlängerter Lehrzeit oder Teilqualifizierung zutreffen, in Lehrbetriebe zu vermitteln (Förderung!) oder es werden Ausbildungsaufträge an Ausbildungseinrichtungen erteilt.
Sozialministeriumservice: Das Sozialministeriumservice bietet die Berufsausbildungsassistenz, unter anderem mit dem Jugendcoaching, über das Netzwerk Berufliche Assistenz (NEBA) an. Die Berufsausbildungsassistenz kann für die Betreuung jener Jugendlichen in Anspruch genommen werden, auf welche die Voraussetzungen für die Berufsausbildung mit verlängerter Lehrzeit oder Teilqualifizierung zutreffen und die einen Clearingprozess durchlaufen haben. Die Abwicklung der Berufsausbildungsassistenz erfolgt über Trägerorganisationen.
Berufsausbildungsassistenz: Die Berufsausbildungsassistenz berät und unterstützt die Jugendlichen und alle an der Ausbildung Beteiligten vor und während der Ausbildung.
Schulbehörde I. Instanz und Schulerhalter: Die Festlegung der Inhalte, der Ziele, der Zeitdauer, der pädagogischen Begleitmaßnahmen und der Einbindung in den Berufsschulunterricht hat unter Einbeziehung der Schulbehörde und des Schulerhalters zu erfolgen.
Lehrlingsstelle: Die Lehrlingsstelle trägt die Lehr- und Ausbildungsverträge ein,
wenn vom AMS bestätigt wird, dass eine Vermittlung in ein reguläres Lehrverhältnis nicht möglich war und
wenn bestätigt wird, dass eine der notwendigen Voraussetzungen vorliegt und eine verbindliche Erklärung über die Durchführung der Berufsausbildungsassistenz vorliegt.
Die Lehrlingsstelle organisiert auch die Lehr- und Abschlussprüfungen.
Ausbildungsverhältnisse im Rahmen der Berufsausbildung mit verlängerter Lehrzeit oder Teilqualifizierung zu begleiten und zu unterstützen.
Sozialpädagogische, psychologische und didaktische Probleme von Personen in der Ausbildung mit Vertretern von Lehrbetrieben und Berufsschulen zu erörtern und zur Lösung beizutragen.
Vor Beginn der Berufsausbildung mit verlängerter Lehrzeit oder Teilqualifizierung gemeinsam mit Jugendlichen, Erziehungsberechtigten, Ausbildungsberechtigten und unter Einbeziehung der Schulbehörde I. Instanz und des Schulerhalters die Ziele dieser Berufsausbildung festzulegen.
Die Ausbildungsinhalte, die Ausbildungsziele und die Zeitdauer gemeinsam mit den Vertragsparteien und unter Einbeziehung der Schulbehörde I. Instanz und des Schulerhalters festzulegen.
Die pädagogischen Begleitmaßnahmen beziehungsweise die Form der Einbindung in den Berufsschulunterricht gemeinsam mit Vertragsparteien und unter Einbeziehung der Schulbehörde I. Instanz und des Schulerhalters festlegen.
Die Abschlussprüfung (Teilqualifizierung) gemeinsam mit einem Experten des betreffenden Berufsbereiches durchzuführen.
Bei einem Ausbildungswechsel das Einvernehmen mit allen Beteiligten herzustellen und besondere Beratungen durchzuführen.
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