Robert Senn im Interview
Pensionsexperte Robert Senn im Interview © AK Tirol/Friedle
16.12.2020

„Staatliche Pension ist sicher, die Arbeitnehmer finanzieren sie sich selbst!"

Pensionsexperte Robert Senn warnt im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ) davor, unser Pensionssystem als politische Spielwiese zu betrachten und krank zu jammern. Denn die Pensionen sind nicht nur sicher, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. „Würden die Pensionisten einen Konsum-Stopp ausrufen, hätte Österreich ein massives Problem“, so Senn.

TAZ: Es wird immer wieder darüber gesprochen, dass die staatlichen Pensionen unsicher sein sollen. Was steckt wirklich hinter solchen Meldungen?
Robert Senn: Grundsätzlich ist das österreichische Pensionssystem als Umlagesystem das beste System, das es gibt. Nicht umsonst werden wir weltweit dafür beneidet. Die einzige Unabwägbarkeit ist die Beschäftigungssituation: Haben wir genügend Beschäftigte, die nicht in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten, sondern ganzjährig in Vollzeit, dann haben wir einen Deckungsgrad, der extrem hoch ist.
Außerdem ist dieses System nicht für Spekulationsgeschichten anfällig. Man hat gesehen, dass sowohl im privaten, als auch im betrieblichen Vorsorgebereich eine derartige Deckung und Sicherheit nicht gegeben sind. Auf Dauer ist dieses Pensionssystem das einzig richtige und mit Sicherheit nicht gefährdet. Wir hatten vergangenes Jahr einen Deckungsgrad von über 98 Prozent, der Zuschussbedarf durch die öffentliche Hand ist also sehr gering. Deshalb sind die Zurufe, die staatliche Pension sei unsicher, entbehrlich, weil das nicht den Tatsachen entspricht.

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OFFEN GESAGT

„Wenn man wirklich etwas
für bessere Frauenpensionen
tun möchte, müsste man als
erstes die Einkommensschere schließen.“
Robert Senn,
Pensionsexperte

Allerdings wird oft damit argumentiert, dass der Bund massiv Geld zuschießen muss, um das System aufrecht zu erhalten?
Senn: Das Märchen vom Bundeszuschuss, der das System stützt, hält sich leider hartnäckig. Grundsätzlich ist der Zuschussbedarf an die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) in den letzten Jahren aber gesunken. Es ist aufgrund der Bevölkerungsstruktur zwar zu erwarten, dass der Zuschussbedarf etwas steigen wird, allerdings ist das immer im Bezug zum Bruttoinlandsprodukt zu sehen.

Wodurch entsteht dieser Zuschussbedarf?
Senn: Dieser Zuschussbedarf entsteht in erster Linie dadurch, dass die PVA auch noch andere wichtige Aufgaben hat, etwa im Bereich der Rehabilitation. Das wird gerne außer Acht gelassen. Die eigenen Einrichtungen machen aber Sinn, da dadurch Beschäftigten ermöglicht wird, aktiv im Erwerbsleben zu bleiben.
Außerdem sind die Zuschüsse an die einzelnen Beziehergruppen höchst unterschiedlich. So beträgt der Nettoaufwand des Staates pro Monat für einen Arbeitnehmer etwa 22 Euro. Die Bauernpension muss hingegen monatlich mit rund 666 Euro gestützt werden, die von Unternehmern mit monatlich 600 Euro.

Das heißt, die Arbeitnehmer finanzieren sich ihre Pension selbst?
Senn: Das ist richtig. Man muss ja bedenken, dass neben den Zuschüssen des Bundes die Pensionistinnen und Pensionisten auch direkt Lohnsteuer an den Staat abführen. Erst die Differenz zwischen den Ausgaben für die Pensionisten und den Einnahmen des Staates von den Pensionisten zeigt die wirkliche Leistung des Bundes. Diesen Fakt lassen einige Experten gerne unter den Tisch fallen. Möglicherweise, weil bei dieser Netto-Betrachtung die Pensionsversicherung der Arbeitnehmer hervorragend abschneidet.

Können Sie der Forderung „45 Jahre Arbeit sind genug“ etwas abgewinnen?
Senn: Ja, 45 Jahre sind genug. Die Abschlagsfreiheit war eine sehr gute Errungenschaft, wohingegen der Frühstarterbonus als Ersatzleistung nahezu lächerlich ist. Diese 60 Euro, die im besten Fall dazukommen sollen, sind ja kein adäquater Ersatz. Und wenn dann noch damit argumentiert wird, dieser Bonus helfe den Frauen, wird das Ganze höchst unseriös. Wenn man bedenkt, dass eine Frau im Schnitt 1.080 Euro Pension hat, und dann bekommt sie, sofern sie überhaupt in den Genuss kommt, 60 Euro dazu, dann liegt dieser Betrag immer noch unter der Armutsgrenze. Das sind leider die Fakten.

Das heißt, man hat hier keine Ungerechtigkeiten beseitigt?
Senn: Nein. Die Aussage ist zwar korrekt, dass Frauen aufgrund des derzeit noch bestehenden früheren Pensionsantrittsalters tatsächlich nicht leicht in den Genuss der Hacklerregelung gekommen sind, allerdings wird das Antrittsalter ja angeglichen und dann hätten auch Frauen von der Hacklerregelung profitiert. Wenn man aber tatsächlich etwas für die Frauen tun möchte, müsste man als erstes dafür sorgen, dass die Einkommen angeglichen werden. Denn wenn die Einkommenslücke dermaßen groß ist, tut sich natürlich auch eine enorme Pensionslücke auf.
Außerdem müsste man dafür sorgen, dass die Zeiten, die Frauen unentgeltlich in den Dienst der Gesellschaft investieren, wie die Betreuungsarbeiten in der Familie, bei der Pensionsberechnung honoriert werden. Das würde nachhaltig helfen. Ein Frühstarterbonus ist da nur politische Kosmetik. So lösen wir das Problem der Altersarmut bei Frauen sicher nicht.

Entsteht durch das dauernde Ändern des Pensionssystems nicht eine gewisse Verunsicherung, die auch ausgenutzt wird?
Senn: Die Aussagen bestimmter politischen Gruppierungen, dass das Pensionssystem unsicher sei, verunsichern natürlich die Bevölkerung. Und sie schmälern auch die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der PVA, die hervorragend arbeiten und bemüht sind, jedem zu helfen. Oft ist dieses Schüren von Verunsicherung auch der Versuch, einigen wenigen zu dienen, nämlich jenen, die die sogenannte dritte, die private Säule im Pensionssystem anbieten, wie Versicherungen und Banken. Die Wiedereinführung der Hacklerregelung war aber sinnvoll und wäre auch finanzierbar gewesen.
Hier geht es rein um politische Spiele. Aber wenn das Vertrauen in das sichere staatliche Pensionssystem untergraben wird, ist das ein Spiel mit dem Feuer. Denn Pensionisten sind ja ein wichtiger Wirtschaftszweig, deshalb sollten die Pensionen auch entsprechend sein. Stellen Sie sich vor, die Pensionistinnen und Pensionisten würden einen Konsum-Stopp ausrufen, dann wäre das ein massiver Schlag für die österreichische Wirtschaft.
Auch deshalb wäre eine gewisse Sensibilität im Umgang mit dem Thema wichtig.

Zur Person
Robert Senn ist Mitglied des Verwaltungskörpers der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und Dienstnehmervertreter im Landesausschuss Tirol der PVA sowie Kammerrat der AK Tirol (AAB-FCG).

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