Mädchen mit Lernunterlagen
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09.06.2022

Nachhilfe-Studie 2022: Eltern zahlten 8,3 Mio. Euro, jeder 3. Tiroler Schüler braucht Unterstützung beim Lernen

Wie viele Tiroler Schülerinnen und Schüler brauchen zusätzliche Unterstützung beim Lernen und warum ist das so? Wie viel müssen Eltern dafür ausgeben, wie könnte man dem entgegenwirken? Und (wie) wirkte sich die Pandemie auf den Nachhilfebedarf aus? – Diesen und weiteren Fragen wurde in der aktuellen Nachhilfe-Studie für das Schuljahr 2021/22 auf den Grund gegangen. Einige Ergebnisse ähneln jenen der Vorjahre, andere waren überraschend. „Doch sie untermauern allesamt die Forderung der AK Tirol nach einem Ausbau der schulischen Betreuungs- und Förderangebote, damit allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Bildungschancen eröffnet werden können“, betont AK Präsident Erwin Zangerl.

Auch das Schuljahr 2021/2022 stand im Zeichen der Corona-Pandemie: Mehrmals wurde im Rahmen der Ausgangsbeschränkungen auch der Schulbetrieb in Österreich eingeschränkt. Das hatte vielfältige Auswirkungen – auch was das Lernen bzw. die Nachhilfe anlangt. Welche das waren, zeigt die aktuelle Studie zur Nachhilfe in Tirol auf, für die von Mitte Februar bis Mitte April 2022 österreichweit 5.113 Eltern von Schulkindern befragt wurden, in Tirol waren es 414 Haushalte mit insgesamt 593 Schüler:innen.

Soviel vorweg: Externe Nachhilfe in der herkömmlichen Form vor Ort war meist nicht möglich, sondern sie fand primär online statt. Die Eltern standen ebenso zusätzlich unterstützend im Einsatz (Stichwort: Home-Schooling), soweit sie dazu zeitlich und fachlich in der Lage waren. Die Herausforderungen in dieser Krisenzeit waren für alle immens, ähnlich wie im Jahr 2020 – sowohl für die Eltern, als auch für Schüler:innen und Lehrkräfte. Auffallend war für 2021 der immer noch große Anteil an Schüler:innen, die zwar Bedarf an Nachhilfe hatten, diese aber nicht in Anspruch nehmen konnten, u. a. deshalb, weil sie für die Eltern nicht leistbar war.
Für die Hälfte der Kinder äußern Eltern zudem den Eindruck, dass während der Corona-Pandemie weniger gelernt wurde.

„Die Pandemie hat aber auch besonders deutlich vor Augen geführt, wo Reformbedarf besteht“, betont AK Präsident Erwin Zangerl. „Denn die Schulen waren und sind für derartige Herausforderungen nicht vorbereitet. Mit der Folge, dass die Eltern noch mehr als sonst, und hier wiederum vor allem Frauen, mit viel Zeit und finanziellem Aufwand einspringen müssen.“

Die Ausgaben für Nachhilfe stiegen gegenüber 2020 enorm: Pro Schulkind mussten Tiroler Eltern im Schnitt rund 590 Euro für Nachhilfe bezahlen (Schuljahr 2020: 460 Euro). Tirolweit beliefen sich die Kosten auf ca. 8,3 Millionen Euro (+ 2,4 Mio. Euro gegenüber 2020).
Bundesweit gaben Eltern ca. 102,7 Millionen Euro für Nachhilfe aus.

die wichtigsten ergebnisse im überblick

Etwa jedes sechste Schulkind in Tirol (16 %) erhielt im Schuljahr 2021/2022 bzw. im Sommer 2021 bezahlte Nachhilfe oder Lernhilfe.

Zählt man noch die unbezahlten Nachhilfe- bzw. Lernhilfeangebote hinzu sowie die Angaben jener Eltern, die gerne bezahlte Nachhilfe in Anspruch genommen hätten, ergibt sich Nachhilfebedarf für rund 27.000 Tiroler Schüler:innen – das entspricht wie schon 2020 fast einem Drittel aller Schüler:innen. [1]

2022 bekamen in Tirol jedoch auffallend mehr Burschen als Mädchen bezahlte oder unbezahlte Nachhilfe.

Extern bezahlte Nachhilfe

14.000 Schüler:innen in Tirol nahmen bezahlte Nachhilfe in Anspruch.

Die Eltern von rund 15.000 weiteren Schüler:innen hätten ebenfalls gerne eine bezahlte Nachhilfe in Anspruch genommen, meist war diese aber zu teuer oder es konnte kein passendes Angebot gefunden werden. Laut Angaben der Eltern mit Bedarf nach bezahlter Nachhilfe, war dies im letzten Schuljahr für rund ein Viertel der Kinder aufgrund der Corona-Pandemie praktisch nicht möglich.

Bezahlte Nachhilfe wird häufiger bei Lehrkräften oder Studierenden (42 % bzw. 32 %) als bei Nachhilfe-Instituten (22 %) absolviert.

Schulische Lernangebote

Rund 5.000 Schüler:innen konnten kostenlose schulische Lernhilfeangebote nutzen. Diese Lernhilfe findet vor allem während der schulischen Nachmittagsbetreuung statt.

Etwa ein Fünftel (26 %) aller Schüler:innen in Tirol hat eine externe Nachmittagsbetreuung. 8 Prozent besuchen eine verschränkte Ganztagsschule.

Neben bezahlter und unbezahlter Lernhilfe erhält jeweils ein Drittel der Schüler:innen an ihrer Schule regelmäßigen oder gelegentlichen Förderunterricht. Etwas mehr als die Hälfte der Eltern ist mit diesem Förderunterricht an der Schule zufrieden.

Nachhilfekosten und Gründe

Im Schnitt kostet Eltern die Nachhilfe in Tirol pro Schüler:in rund 590 Euro (Schuljahr 2020: 460 Euro). Bundesweit gaben Eltern ca. 102,7 Millionen Euro für Nachhilfe aus. In Tirol waren es ca. 8,3 Millionen Euro (+ 2,4 Mio. Euro gegenüber 2020). Rund zwei Drittel der Befragten sind durch Nachhilfe finanziell spürbar bis sehr stark belastet. Vor allem Familien mit einem Haushaltseinkommen unter 2.000 Euro fühlen sich durch die entstandenen Nachhilfekosten sehr stark belastet.

Nachhilfe ist insbesondere in Mathematik, etwas seltener auch in Deutsch und Fremdsprachen nötig.

Hauptgründe für die Nachhilfe: Noten verbessern bzw. negative Noten vermeiden. Die Mehrzahl der Nachhilfe-Schüler:innen stand jedoch zum Befragungszeitpunkt bereits auf einer positiven Note. Für die Hälfte der Kinder äußern Eltern den Eindruck, dass aufgrund des Schulbetrieb während der Corona-Pandemie weniger gelernt wurde.

Familie bzw. Eltern als Lernhelfer

Mit mehr als der Hälfte der Schüler:innen (58 %) lernen die Eltern mindestens einmal in der Woche. 27 % der Eltern lernen sogar so gut wie täglich mit ihren Kindern.
Deutlich mehr Frauen als Männer berichteten, diese Betreuungsaufgabe zu übernehmen. Rund vier von fünf Eltern äußern eine mehr oder weniger spürbare zeitliche Belastung.

Die Studie mit allen Details finden Sie in der rechten Spalte.

[1] Bezahlte Nachhilfe bekamen in Tirol insgesamt rund 14.000 Schüler/innen, 7.000 eine private unbezahlte Nachhilfe (ohne Gratisnachhilfe) und eine schulische Gratisnachhilfe erhielten rund 5.000 Schüler/innen. Rechnet man noch jene hinzu, die sich eine bezahlte Nachhilfe gewünscht haben (ca. 15.000) beläuft sich der Gesamtbedarf an Nachhilfe in Tirol insgesamt auf rund 27.000 Schüler/innen (bei dieser Zahl sind Überschneidungen berücksichtigt). Daran hat sich gegenüber dem Vorjahr de facto nichts geändert.

 

AK Forderungen

„Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in den Forderungen der AK nach Verbesserungen wider“, so AK Präsident Erwin Zangerl: Es braucht

  • eine Personaloffensive, damit mit ausreichend Lehrenden ein zeitgemäßes Unterrichten möglich ist,
  • Schulen, in denen mehr Zeit zum Üben bleibt und Eltern damit vom Lernen zuhause und von teurer Nachhilfe entlastet werden,
  • ein Budget für Schulmaterialien, das Lehrer:innen unbürokratisch verwenden können, um Schüler:innen mit allen notwendigen Materialien auszustatten und die Familien finanziell zu entlasten,
  • ein Entlastungspaket, etwa mit Anhebung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, sowie spezifische Unterstützungsangebote wie Ferien- und Lerncamps. Auch eine Anhebung und Ausweitung der Schüler:innenbeihilfe ist unerlässlich.

AK Initiative

Die AK Tirol geht hier schon seit Jahren mit gutem Beispiel voran. Heuer startete bereits im Jänner das umfassende Lernangebot vom BFI mit Unterstützung von Land und AK Tirol. Schüler:innen ab der 5. Schulstufe können sich bei der Lernbegleitung in vielen Lernfächern vertiefen oder auf Prüfungen vorbereiten. Die mehr als 2.500 aktuellen Anmeldungen zeigen die Notwendigkeit dieser Initiative.

So wurde erhoben
Das IFES führte im Auftrag der AK von Mitte Februar bis Mitte April 2022 eine bundesweit repräsentative CATI/CAWI-Befragung bei Eltern mit Schulkindern zum Thema „Nachhilfe“ durch. Zusätzlich wurden Aufstockungsinterviews in Bundesländern gemacht. Damit umfasst die Stichprobe 3.367 Haushalte mit 5.113 Schulkindern. In Tirol wurde die Stichprobe im Auftrag der AK Tirol auf 414 Haushalte mit insgesamt 593 Schüler:innen erhöht. Im Zuge der Auswertung erfolgte eine regionale Gewichtung der Ergebnisse auf Basis der Schulstatistik 2020/21 der Statistik Austria, sodass diese wieder für Tirol bzw. ganz Österreich repräsentativ sind. Nicht inkludiert sind Berufsschulen, Akademien oder Schulen im Gesundheitswesen.

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