FAQ: Stromliefervertrag von TIWAG/IKB gekündigt
Nach dem Scheitern der Verhandlungen der AK Tirol mit der TIWAG gibt es viele Fragen zu Vertragskündigungen. Hier finden Sie Antworten.
Nun ist es da, das mit großer Spannung erwartete Urteil im ersten Prozess der AK Tirol gegen den Landesenergieversorger TIWAG. Und auch wenn noch nicht rechtskräftig, enthält es einige Sprengkraft, denn das Erstgericht bestätigt die rechtliche Ansicht der AK Tirol in allen Punkten. „Das Urteil kann getrost als Meilenstein in unserer Arbeit gesehen werden und ich bin hoch erfreut, dass das Gericht unsere Auffassung teilt“, so AK Präsident Erwin Zangerl in einer ersten Stellungnahme. Bei der im Mai 2023 von der AK eingebrachten Musterklage der AK Tirol geht es um wichtige Grundsatzfragen sowie unter anderem auch um Auskunft und Informationen zu den tatsächlich zu tragenden Beschaffungskosten – Stichwort Transparenz und soll klären, wie sich das auf die Strompreiserhöhungen der TIWAG auswirkt. Das Gericht hat dazu jetzt ein klares Urteil gefällt. „Das Gericht hat sich eingehend mit der komplexen Thematik auseinandergesetzt und die Unzulässigkeit der Preisanpassung des Arbeitspreises rechtlich – und gestützt auf gleich mehrere Rechtsverstöße – umfangreich begründet. Wir erwarten jetzt vom Landesenergieversorger eine rasche entsprechende Reaktion bzw. Akzeptanz und Erfüllung des Urteils gegenüber allen betroffenen Kund:innen“, stellt Zangerl klar.
Die Musterklage der AK Tirol betraf die Preisanpassung des Arbeitspreises der TIWAG im Jahre 2022, die im Wesentlichen mit der Entwicklung des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) begründet wurde. Und dies, obwohl die TIWAG der größte Stromerzeuger aus Wasserkraft in Tirol ist. Und das Wichtigste gleich vorweg: Das Gericht teilt in seinem gestern zugestellten Urteil die Ansicht der TIWAG-Juristen nicht und gibt der AK Tirol vollinhaltlich recht.
So wird ganz klar festgestellt, dass Vertragsbestimmungen nichtig sind, wenn es für die Erhöhung des Preises keine sachliche Rechtfertigung gibt. Die für eine Preisänderung maßgeblichen Umstände müssen sachlich gerechtfertigt sein. Die Preisanpassung darf auch die Gewinnspanne des Unternehmens nicht ändern und darf sich nur auf die Änderung der tatsächlichen Kosten des Unternehmens beschränken. All dies wurde von der TIWAG anders gehandhabt. Die gestiegenen Börsenpreise führten zu einer höheren Gewinnmarge, die tatsächlichen Erzeugungskosten stiegen jedoch nicht in einem vergleichbaren Ausmaß zu den Börsenpreisen. Auch das Heranziehen der sogenannten Opportunitätskosten, also der Kosten für entgangenen Gewinn, lässt das Gericht nicht gelten und hält fest, dass die Preisanpassung auf Basis des ÖSPI rechtlich nicht zulässig war bzw. ist.
In ihrer Argumentation hatte die TIWAG die Preisanpassung immer mit der Veränderung des ÖSPI argumentiert, was das Gericht nicht so sieht. „Ein konkreter Zusammenhang zwischen der Veränderung des ÖSPI und den tatsächlichen Kosten der beklagten Partei besteht nicht“, heißt es im Urteil. Denn nur weil man an andere Verkäufer, etwa an der Börse, teurer verkaufen könnte, heißt das nicht, dass die eigenen tatsächlichen Kosten steigen. „Würde man die Argumentationslinie der beklagten Partei weiterdenken, so wäre die Bestimmung des § 80 Abs 2a Satz 1 ELWOG ad absurdum geführt“, so die klare Aussage des Gerichts.
In seiner Argumentation hält das Gericht auch fest, dass in den von der AK kritisierten Preisanpassungsschreiben aus dem Jahr 2022 der Punkt „Entgeltanpassung“ als „objektiv ungewöhnlich“ anzusehen ist. Denn die TIWAG wirbt hier optisch markant mit 100 % Tiroler Wasserkraft und regionalem Ökostrom, einem Umstand, der nicht gewährleistet werden kann, wie die TIWAG während der Verhandlung selbst zugestehen musste. Der physikalische Strom, der beim Endkunden ankommt, ist nicht regional, sondern unbekannter Herkunft. Weiters wird festgehalten, dass die Preisanpassungsklauseln der TIWAG auf Basis des ÖSPI gröblich benachteiligend sind, da die Preisanpassung in keiner Relation zur tatsächlichen Kosten- und Beschaffungsstruktur steht. Die Preisanpassungsschreiben werden als intransparent qualifiziert, zumal suggeriert wird, dass die Preisanpassung auf einem gesetzlichen Preisanpassungsrecht beruht.
Damit kommt das Erstgericht in seinem Urteil auch zur Rechtsauffassung, dass die Preisanpassung mit Preisanpassungsschreiben vom 4.4.2022 unwirksam ist.
Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, ist die TIWAG nicht zu Rückzahlungen an ihre Kund:innen verpflichtet. Dies hängt also davon ab, ob die TIWAG gegen das Urteil in Berufung gehen wird oder nicht.
Unter anderem wurde im Urteil des BG Innsbruck folgendes festgehalten:
[…] „Für die beklagte Partei (Tiwag) als Energieerzeuger führten die gestiegenen Preise an der Börse zu einer höheren Gewinnmarge, zumal die tatsächlichen Erzeugungskosten nicht äquivalent zu den Börsepreissteigerungen gestiegen sind. Dass die Opportunitätskosten, also die Kosten für entgangenen Gewinn (nach betriebswirtschaftlicher Definition) entsprechend dem Börsepreis gestiegen sind, mag aus betriebswirtschaftlicher Sicht so sein. Die Heranziehung der Opportunitätskosten zur Prüfung der subjektiven Äquivalenz würde die Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG jedoch ad absurdum führen. Die gegenständliche Preisanpassung auf Basis des ÖSPI widerspricht folglich der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG“ […]
[…] § 80 Abs 2a ElWOG stellt kein einseitiges gesetzliches Preisänderungsrecht dar Ein Preisänderungsrecht ist folglich vertraglich zu vereinbaren und unterliegt daher auch den Bestimmung des ABGB und des KSchG (mit Ausnahme § 6 Abs 1 Z 5 KSchG).
[…] „Die beklagte Partei (Tiwag) stützt die Erhöhung des Arbeitspreises letztlich ausschließlich auf die Änderung des ÖSPI. Ein konkreter Zusammenhang zwischen der Veränderung des ÖSPI und der tatsächlichen Kosten der beklagten Partei besteht nicht. Feststellungsgemäß produziert die beklagte Partei (deutlich) mehr als die Hälfte ihres verkauften Stroms selbst. Sie begründet die Äquivalenz zwischen dem ÖSPI und ihren Kosten mit den durch einen steigenden ÖSPI steigenden Opportunitätskosten. Opportunitätskosten sind „Kosten des entgangenen Gewinns“. Würde man die Argumentationslinie der beklagten Partei weiterdenken, so wäre die Bestimmung des § 80 Abs 2a Satz 1 ElWOG ad absurdum geführt. Nur weil an andere Käufer (bspw. an der Börse) teurer verkauft werden könnte, steigen die eigenen tatsächlichen Kosten nicht. Unter Annahme der Anwendbarkeit des § 80 Abs 2a ElWOG widerspricht die gegenständliche Preisanpassung auf Basis des ÖSPI auch dieser Bestimmung“ […]
Verstoß gegen § 864a ABGB (objektiv ungewöhnliche und überraschende AGB-Klauseln):
[…] Die beklagte Partei (Tiwag) hat jedoch das Produkt „comfort+“ feststellungsgemäß unter anderem als regionalen Ökostrom aus 100 % Tiroler Wasserkraft beworben. Auf dem Produkt- und Preisblatt wird die Regionalität und insbesondere „100% Tiroler Wasserkraft“ – auch markant optisch – hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund erwartet der durchschnittliche Verbraucher nicht eine Indexierung an Hand eines Strompreisindizes, der einen Ausblick auf die in den nächsten Monaten zu erwartende Preisentwicklung auf dem Stromgroßhandelsmarkt gibt und der nicht danach unterscheidet, aus welcher Erzeugungsquelle der Strom stammt. Jedenfalls erwartet ein durchschnittlicher Verbraucher auch nicht, dass der Arbeitspreis des vereinbarten Wasserkraftstroms aufgrund von (eklatanten) Preissteigerungen bei Strom aus fossilen Brennstoffen (der ja gerade nicht Vertragsbestandteil ist), in einem (eklatanten) Ausmaß steigt. Daher ist die Klausel – insbesondere 7.2.1 der ALB 13 – objektiv ungewöhnlich. Das Klagebegehren ist daher auch aus diesem Grund berechtigt“ […]
Verstoß gegen § 879 Abs. 3 ABGB (gröblich benachteiligende Klauseln):
„Die Preisanpassungsklauseln der beklagten Partei auf Basis des ÖSPI sind gröblich benachteiligend, zumal die Preisanpassung in keiner Relation zur tatsächlichen Kosten- und Beschaffungsstruktur der beklagten Partei steht. Das Preisanpassungsschreiben ist darüber hinaus als intransparent zu qualifizieren, zumal es (zumindest) suggeriert, dass die Preisanpassung auf einem gesetzlichen Preisanpassungsrecht beruht und nicht auf den ALB 13 der beklagten Partei“ […]
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