Baum im Klima- und Energiewandel
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16.9.2021

Auto-Akkus und die dunkle Seite der E-Mobilität

Noch gibt es mehr Pkw mit Verbrennungsmotoren, doch die Politik pocht auf den Einsatz von umweltschonenden E-Autos. Die Herstellung eines Auto-Akkus ist aber bei genauerem Hinsehen nicht unbedingt klimaneutral und alles andere als umweltfreundlich.

Neue Serie der Tiroler Arbeiterzeitung:
Die andere Seite der Energiewende, Teil 1

„Der Abbau von Lithium wird unsere Gemeinden und unsere Landschaft umbringen. Ihr glaubt, damit könnt ihr die Menschheit retten, aber ihr werdet uns alle umbringen“, sagt Clemente Flores. Der Argentinier ist gewählter Sprecher von 33 Gemeinden an der Grenze zwischen Argentinien, Bolivien und Chile, dem sogenannten Lithiumdreieck.  Hier, in den großen Salzebenen, sollen 70 Prozent der weltweiten Vorkommen lagern. Ein riesiger Schatz, denn Lithium ist notwendig für den Bau von Handys, Laptops und vor allem Akkus von Elektroautos.

Gemeinsam mit den Einwohnern der Region will Flores aber verhindern, dass das Leichtmetall abgebaut wird. Denn überall dort, wo die Rohstoffe gewonnen werden, zeigt sich die negative Seite der Energiewende: Der Abbau zerstört die Umwelt, lässt die Zahl arbeitender Kinder steigen und fordert Menschenleben. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Denn allein seit 2016 hat sich der weltweite Lithiumabbau mehr als verdoppelt und Experten schätzen, dass bis 2030 jedes Jahr mehr als 240.000 Tonnen Lithium in der Automobil­industrie gebraucht werden. Für Autos, die die Umwelt schonen sollten.

Seitdem in Clemente Flores‘ Heimat Bergbauunternehmen mit ihren Maschinen auffahren und die großen Salzflächen in Argentinien, Bolivien und Chile umgraben, vertreiben sie Menschen und Tiere und verunreinigen vor allem das lebensnotwendige Trinkwasser, denn mit jeder gewonnen Tonne Lithium gehen 2 Millionen Liter davon verloren. Ohne Süßwasser gibt es jedoch keine Viehzucht und keine Landwirtschaft, von denen die Menschen dort leben. „Wir waren zuerst einfach unzufrieden damit, dass man uns nicht fragte. Das Einzige, was wir wirklich wussten, war: Der Staat will Batterien. Aber wir können keine Batterien essen. Wir essen das, was wir hier anbauen“, so Clemente Flores.

Und das wird immer weniger, denn für den Anbau braucht man Wasser. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Süßwasserverluste das Leben in der Region schon bald unmöglich machen.

ZITIERT

„Der Abbau von Lithium wird unsere Gemeinde und unsere Landschaft umbringen.“

Clemento Flores,
Sprecher der betroffenen Gemeinden im sogenannten Lithiumdreieck

Kobalt aus der Stadt

Während der Abbau von Lithium in Südamerika auf den großen Salz­ebenen erfolgt, wird andernorts direkt in Wohnvierteln nach wichtigen Bestandteilen für Akkus von E-Autos geschürft. Wie im Kongo, wo in einem Stadtteil der 450.000 Einwohner zählenden Stadt Kolwezi die Menschen bereits am frühen Morgen in Kleinminen zu graben beginnen. Die Schächte sind bis zu 50 Meter tief und gerade einmal breit genug, um sich hindurchzuzwängen. Helme, Schutzkleidung, Sicherung oder Atemmasken gibt es keine, tödliche Unfälle gehören zum Alltag. Da Sicherheitsvorschriften nur theoretisch gelten, arbeiten bereits elfjährige Kinder in den Minen. Mit einem Lohn von umgerechnet 1,50 Euro pro Tag helfen sie, ihre Familien zu versorgen.

Gewonnen wird das Kobalt aus Kupfer- und Nickelerzen per Hand. Rund 13 Kilogramm davon werden für einen Akku mit 90 Kilowattstunden benötigt. 2020 wurden weltweit 140.000 Tonnen des Rohstoffs abgebaut, 95.000 davon allein in der Demokratischen Republik Kongo. Als Big Player dabei erweisen sich chinesische Unternehmen, die neun der zehn größten Kobaltminen im Kongo betreiben. Dass die Herstellung von Akkus ein überaus profitabler Industriezweig ist, hat die Regierung in Peking früh erkannt. Innerhalb kürzester Zeit ist China so zum weltweit größten Produzenten von aufladbaren Akkus geworden. Das Kobalt aus dem Kongo hat so bis zu seinem Einsatz in europäischen Autos bereits eine halbe Weltreise hinter sich gebracht.

Alternativen zu Lithium-Ionen-Batterien für den Antrieb von Elektroautos sind gesucht. Zwar forschen Wissenschaftler weltweit über den Einsatz von Natrium-Ionen-Akkus, bei denen das Lithium durch das weit häufiger in der Natur vorkommende Natrium ersetzt werden soll, das auch in Kochsalz enthalten ist.  Ob der Natrium-Ionen-Akku jedoch ein vollwertiger Ersatz sein wird, ist umstritten. Auch eine Renaissance herkömmlicher Brennstoffzellen steht im Raum.

Bis sich eine wirkliche Alternative zu den aktuellen Akkus durchgesetzt hat, werden jedoch Jahre vergehen. Für die Menschen und die Umwelt in den betroffenen Regionen wird sich wenig ändern, für sie ist der E-Auto-Boom ein Fluch, sagt auch Clemente Flores: „Bisher kannten wir hier keine Autos. Schon gar keine Elektroautos – die kennen wir nur vom Foto.“ Und das wird vermutlich  so bleiben.

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