DDr. Jürgen Huber, Institutsleiter Banken und Finanzen, Univ. Innsbruck
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23.3.2023

Experte Huber: „Die Strompreise so zu erhöhen, ist nicht argumentierbar!“

Finanzwissenschafter DDr. Jürgen Huber, Vorstand am Institut für Banken und Finanzen an der Universität Innsbruck, kritisiert die Gewinnsucht von Konzernen und warnt vor einer Wiederholung von Verhältnissen mit dauerhaft hoher Inflation, wie sie nach dem Ölpreisschock in den 1970er Jahren herrschten. Mehr dazu lesen Sie im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ) hier.

TAZ: Die Teuerungswelle scheint nicht zu enden. Hinzukommt ein massiver Anstieg der Inflation, wobei Österreich hier weit über dem EU-Durchschnitt liegt. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Jürgen Huber: Ein wesentlicher Punkt und treibender Faktor ist, dass die Bundesregierung enorm viel Geld ausgegeben hat. So etwa 36 Milliarden Euro für Anti-Teuerungs-Maßnahmen und 46 Milliarden an Corona-Hilfen. Diese 82 Milliarden Euro entsprechen immerhin 20 Prozent unserer Wirtschaftsleistung, das ist die höchste Summe an Unterstützungsmaßnahmen, die ein EU-Staat zur Krisen-Bewältigung ausgegeben hat. Ein Vielfaches mehr jedenfalls als etwa die Schweiz oder auch Spanien oder Italien, wo die Inflation nach unten geht, weil nicht so viel Geld in Hilfsleistungen geflossen ist. Das Gießkannen-Prinzip, das in Österreich stark angewendet wurde, hat sehr viel zusätzliches Geld in den Wirtschaftskreislauf gepumpt und dafür gesorgt, dass die Teuerung angezogen hat. Der andere Punkt ist der Energie- und Treibstoffbereich, da hier auch die Wettbewerbskräfte in Österreich relativ schwach ausgebildet sind. Konzerne wie die OMV halten die Benzinpreise höher als sie sein müssten und haben dementsprechend auch Rekordgewinne. Dasselbe gilt für Stromanbieter. Auch hier sollte meines Erachtens die Wettbewerbsbehörde viel aktiver sein.

ZITIERT

„Konzerne wie die OMV
halten die Benzinpreise
höher, als sie 
sein müssten.“

DDr. Jürgen Huber,
Institutsleiter Banken und Finanzen,
Universität Innsbruck

„Auch bei Stromanbietern müsste die Wettbewerbs-behörde 
viel aktiver sein.“

DDr. Jürgen Huber,
Institutsleiter Banken und Finanzen,
Universität Innsbruck

Von solchen Gewinnen profitieren auch Tiroler Stromanbieter...
Huber: Das ist richtig, wobei es interessant ist, dass hier immer mit dem Vorteil von erneuerbarer Energie, also Wasserkraft, geworben wurde. Wenn ich höre, dass die Energie fast ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern kommt, was kümmern mich dann in Wirklichkeit die Gaspreise? Man argumentiert dann, man sei in einem europäischen, liberalisierten Strommarkt, aber trotzdem wäre es nicht notwendig, die Preise dermaßen zu erhöhen, da sich auch die Kosten nicht in diesem Maße erhöht haben. Das Wasser kostet gleich viel wie vor der Krise, nämlich nichts, und ja, es gibt Lohnerhöhungen, aber eine Verdreifachung der Kosten ist meiner Ansicht nach nicht argumentierbar.

Es gibt innerhalb Österreichs ein deutliches West-Ost-Gefälle bei den Preisen. Gleichzeitig liegt Tirol bei den Löhnen hinten. Müsste die Inflation in Tirol nicht höher sein, würde man sie isoliert betrachten?
Huber: Ja, das ist sie auch. Das Problem liegt hier am fehlenden Wettbewerb in vielen Bereichen. Dieser Wettbewerb ist in Tirol noch schwächer ausgeprägt als im Osten. Zwar wird immer wieder der Tourismus als Preistreiber ins Spiel gebracht, aber der Punkt ist der fehlende Wettbewerb.

Finanzminister Brunner findet das Budget 2022 nicht so schlecht gelungen. Österreich hat zwar die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten, trotzdem fehlen 20,8 Milliarden in der Staatskasse. Kann man da von einem zufriedenstellenden Budget reden?
Huber: Längerfristig nicht. Kein Unternehmen kann dauerhaft wirtschaften, indem es nur Defizite macht. Die Regierung offensichtlich schon, das letzte Mal als Österreich einen Budgetüberschuss hatte, war 1969. Über 50 Jahre an Defiziten bringen einen enormen Schuldenberg. Durch die hohe Inflation erfolgt freilich eine gewisse Entschuldung, was zwar dem Finanzminister hilft, nicht aber den Bürgern. Die Regierungen haben es aus diesem Grund nicht besonders eilig, dass die Inflation wieder auf zwei Prozent fällt. Eine höhere Inflation hilft allen verschuldeten Staaten, einen Teil ihrer Schuldenlast loszuwerden.

Ist das nicht aber ein Spiel mit dem Feuer?
Huber: Das ist es sicher. Dieser Geist wurde auch nicht bewusst aus der Flasche geholt. Aber es ist nicht ungefährlich, denn in dem Moment, in dem sich höhere Inflationserwartungen in den Köpfen der Menschen verfestigen und man davon ausgeht, dass die Inflation zum Beispiel bei 10 Prozent bleibt, erhöhen alle ihre Preise. Im Gegenzug müssen die Löhne steigen, ebenso die Pensionen. Dann kommt es zur Preis-Lohnspirale, aus der man sich nur enorm schwer lösen kann. Das war schon in den 1970er Jahren der Fall. Der Ölpreisschock im Jahr 1974 aufgrund des Krieges im Nahen Osten führte zu steigenden Preisen und Löhnen. Was folgte, waren einige Jahre mit sehr hohen Inflationsraten von 10 bis 15 Prozent. Das will niemand wirklich riskieren.

Es ist aber im Ukraine-Krieg kein Ende in Sicht und gerade die Ukraine-Krise wird auch von vielen Energieunternehmen als Rechtfertigung für hohe Preissteigerungen verwendet…
Huber: Gerade bei Stromversorgern, die erneuerbare Energien anbieten, ist eine solche Argumentationslinie meiner Ansicht nach nicht haltbar.

Spanien liegt bei der Inflation weit hinter Österreich und hat auch eine Gas- und Mietpreisbremse eingeführt. Gehen andere Länder mit der Bekämpfung der Inflation besser um?
Huber: Eine Mietpreisbremse kann ich mir für Österreich gut vorstellen, bei der Gaspreisbremse besteht das Problem, dass wir im globalen Gasmarkt eingebunden sind. Solange das so ist, bedeutet ein Gaspreisdeckel letztlich nur, dass wieder Staatsgelder umverteilt werden, die man sich auf andere Weise zurückholen wird. Aber, wie gesagt, das überbordende Ausschütten von Hilfsgeldern ohne klar erkennbare Strategie dahinter heizt die Inflation sicher an.

Welche Schritte müssten aus Ihrer Sicht gesetzt werden, um die Inflation möglichst bald einzudämmen?
Huber: Inflation betrachtet ja immer die Preisänderungen über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Tatsächlich glaube ich, dass die Inflation in den kommenden Wochen stark zurückgehen wird.

Warum?
Huber: Ein ganz wesentlicher Preistreiber waren die Energiepreise und die waren kurz nach der Invasion, in der ersten Märzwoche 2022, am höchsten. Der Ölpreis lag bei 135 Dollar pro Barrel, heute ist er bei 80. Die Strompreise sind heute ein Drittel von damals, die Gaspreise ein Fünftel. Das bedeutet, dass wir im Sektor Energie wahrscheinlich minus 50 Prozent Inflation haben werden. Der Bereich Energie macht ungefähr 10 Prozent vom Inflationswarenkorb aus, und wenn diese 10 Prozent minus 50 Prozent Inflation haben, senkt das die Inflation um 5 Punkte. Die Frage ist allerdings, wie sehr sich die Teuerung schon verselbständigt hat – man sieht es ja bei jedem Kaffee oder Brötchen, das man kauft und sich fragt: Was, so teuer schon?

Rechnen Sie damit, dass die Preissenkungen an die Endkunden überhaupt weitergegeben werden?  Beim Treibstoff hat man das Gefühl, dass der Preis in astronomische Höhen von über 2 Euro getrieben wurde, dann fällt er auf etwa 1,60, um zu suggerieren, dass das jetzt ohnehin im Vergleich günstig ist…
Huber: Genau das passiert leider und deshalb ist es absolut notwendig, dass Institutionen wie die Arbeiterkammer den Firmen auf die Finger klopfen und fordern, die Preise zu senken. Das sollte im Interesse der Bürger:innen auch die Regierung tun. Der Benzinpreis könnte ohne weiteres weiter nach unten gehen und die Konzerne würden immer noch Gewinne machen. Dasselbe gilt für den Strompreis: Auch hier werden Preissenkungen nur sehr schleppend weitergegeben. In der Zwischenzeit wird allerdings viel Gewinn gemacht.

Der Druck auf die Menschen wird immer größer. Wir haben in Tirol an die 120.000 Personen, die arm sind bzw. an der Armutsgrenze leben…
Huber: Den Menschen, die derart betroffen sind, gehört auf alle Fälle geholfen. Was mich schon zu Beginn der Corona-Pandemie und nun auch bei der Teuerung gestört hat, ist die Tatsache, dass es eine Gießkanne für alle gab. Viel besser wäre gewesen, jenen, die es wirklich brauchen, mehr zu geben als jedem bis hinauf zum Spitzenverdiener Geld quasi aufzudrängen. Ich hoffe, dass diese Praxis endlich beendet wird.

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