Pflegestudentin Anna Klocker: „1.950 Praktikumsstunden sind unbezahlt!"
„Wir Pflegestudierenden möchten nicht mit über 20 noch von den Eltern abhängig sein – wir wollen unser eigenes Geld verdienen“, fordert Anna Klocker im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ). Sie absolviert eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Klicken Sie auch unten rein ins Video mit Interviews und Aufnahmen vor Ort!
TAZ: Frau Klocker, bis 2030 fehlen in Tirol 7.000 zusätzliche Pflegekräfte. In den Medien wird gefordert, dass sich bereits in der Ausbildung etwas ändern muss. Wie attraktiv gestaltet sich das Pflegestudium tatsächlich? Anna Klocker: Wenn man nicht mit vollem Herzen von seiner Berufswahl überzeugt ist und das auch durchziehen will, dann finde ich es schwierig. Wir müssen Studiengebühren zahlen, bekommen aber für rund 2.000 Praktikumsstunden keine Entlohnung. Deshalb sind viele – so wie ich – noch mit über 20 Jahren von ihren Eltern abhängig.
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„In meinen Praktika bekomme ich mit, wie müde und ausgelaugt alle im Team sind, weil es einfach zu wenig Angestellte gibt und gleichzeitig aber immer mehr gefordert wird."
Anna Klocker, Pflegestudentin
Kann man sich die Ausbildung überhaupt leisten? Klocker: Eigentlich nicht. Die gesamten sechs Semester Studienzeit kosten über 2.400 Euro, hinzu kommen noch Tickets für den öffentlichen Verkehr, weil sich niemand eine Wohnung in Innsbruck leisten kann, sowie die Kosten für den täglichen Bedarf. Ohne finanzielle Hilfe der Eltern geht das nicht. Bis vor kurzem hatte ich einen Nebenjob, auch wenn sich das nur schwer mit dem Dienstplan vereinbaren lässt. Neben dem Praktikum hat man dann aber keine Zeit für sich selbst und um sich zu erholen – ich war einfach am Ende, auf Dauer schafft das keiner. Unter all den Umständen, was motiviert Sie dennoch jeden Tag, Pflegerin zu werden? Klocker: Es sind die kleinen Momente, z. B. in meinem Praktikum diesen Sommer hatte ich einen Schlaganfall-Patienten, der anfangs nicht einmal ansprechbar war, am Ende aber wieder selbständig duschen konnte. Die einzelnen Schicksale zu verfolgen, gibt mir das Gefühl, ich kann etwas bewirken, und ich fühle mich in meiner Berufswahl bestätigt, wenn ein Patient mich anlächelt oder einfach „Danke“ sagt. Wie nehmen Sie den Pflegepersonalmangel bereits bei Ihren Pratika wahr? Klocker: Auf allen Stationen, auf denen ich bisher tätig war, bekommt man mit, wie müde alle im Team sind, weil es einfach zu wenig Angestellte gibt und gleichzeitig aber immer mehr gefordert wird. An eigentlich freien Tagen müssen die Pfleger:innen spontan einspringen, wenn jemand krank wird. Ich habe das auch selbst schon miterlebt: Eine Station war so sehr mit Patienten ausgelastet, dass wir Praktikanten zusätzlich gefragt wurden, ob wir kurzfristig im Nachtdienst mithelfen können. Gibt es auch Momente, in denen Ihnen einfach alles zu viel wird? Klocker: Es gibt Tage, an denen mich die Arbeit schon emotional belastet und auch körperlich mitnimmt, weil ich es nicht gewohnt bin, zwölf Stunden durchzurennen. Wir werden zwar schon im Praktikum unterstützt, doch oftmals habe ich Fragen, für die keine Zeit bleibt. Außerdem möchte ich keinem noch zusätzlich zur Last fallen und übernehme z. B. das Bettenbeziehen alleine, obwohl es zu zweit leichter wäre. Das ist nicht schlimm, aber man merkt an so kleinen Details, dass die Kapazitäten knapper sind. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Klocker: Bezahlte Praktika und das Abschaffen der Studiengebühren, um mehr junge Menschen für die Pflege zu begeistern! Wir brauchen dringend Personal, sonst sind wir es, die in Zukunft Zusatzschichten übernehmen müssen. Und spinnen wir den Faden weiter: Unsere Eltern und wir selbst werden einmal pflegebedürftig sein – wie soll das gehen, wenn keiner nachkommt? Wir alle werden also darunter leiden, wenn zu wenig Personal auf den Stationen beschäftigt ist. Pflege geht uns alle an.
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