Präsentation der Pflegestudie. Robert Senn, Betriebsratsvorsitzender ISD, Birgit Seidl, Zentralbetriebsratsvorsitzende Tirol Kliniken, AK Präsident Erwin Zangerl, Daniela Russinger, Referat Gesundheit und Pflege AK Tirol (v. li.)
Präsentation der Pflegestudie. Robert Senn, Betriebsratsvorsitzender ISD, Birgit Seidl, Zentralbetriebsratsvorsitzende Tirol Kliniken, AK Präsident Erwin Zangerl, Daniela Russinger, Referat Gesundheit und Pflege AK Tirol (v. li.) © AK Tirol
23.10.2024

Neue Pflege-Umfrage 2024 zeigt: Die Perspektiven werden immer schlechter

In den letzten Jahren legte die Corona-Pandemie die Schwächen des Gesundheitssystems offen. Vor allem das Personal steht massiv unter Druck, wie die Ergebnisse der AK Studie zeigen.

70,7 % jener, die in Gesundheitsberufen arbeiten, glauben, die Arbeitsbedingungen werden sich in Zukunft weiter verschlechtern.
68,6 % der Befragten geben an, dass die körperliche Beanspruchung in ihrer Arbeit sehr stark bzw. stark ist.
67,2 % geben an, dass sie im letzten Jahr mindestens zwei Mal krank 
zur Arbeit gegangen sind.
61,8 % geben an, die Arbeitsbedingungen haben sich in den letzten 
zehn Jahren verschlechtert. 
34,4 % derjenigen, die mehr als zehn Jahre im Beruf arbeiten, sagen, die Situation hat sich verschlechtert.
28,8 %  derjenigen, die in Gesundheitsberufen arbeiten, möchten nicht in ihrem eigenen Betrieb versorgt werden.


Die Ergebnisse sind ernüchternd: Über 4.000 Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich gewährten Einblicke in ihre Arbeitsbedingungen und gaben Antworten auf zwei dringende Fragen: Wo steht die Arbeit im Gesundheits- und Sozialbereich? Und wo entwickelt sie sich hin? Die Antwort auf die zweite Frage gleich vorweg – über 70 Prozent der Befragten sagen, die Entwicklung wird sich weiter verschlechtern, lediglich 6 Prozent (!) glauben an eine Verbesserung der Situation. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr zuwarten, es geht uns die Zeit aus“, warnt AK Präsident Erwin Zangerl auch hinsichtlich der schleppenden Gehaltsreform im Pflege- und Gesundheitsbereich. Die Studie würde das auf dramtische Weise untermauern, so Zangerl. 

Personal unter Druck

Fast 70 Prozent der Befragten berichten von hohen physischen und psychischen Belastungen, 70 Prozent geben auch an, dass die Entlohnung nicht angemessen ist, auch die Wertschätzung fehle. Dabei sind das Verantwortungsgefühl und der Einsatz des Personals ungebrochen: 67 Prozent geben an, letztes Jahr mindestens zweimal krank gearbeitet zu haben, als Hauptgrund wird hierfür Verantwortungsgefühl gegenüber den Patienten sowie den Kollegen genannt. Entscheidend ist auch die Tatsache, dass sich drei von vier Beschäftigten nicht vorstellen können, Vollzeit bis zur Pension zu arbeiten. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass 57,8 Prozent der Befragten zumindest gelegentlich über einen Berufsausstieg nachdenken, denn, so eine Befragte: „Die Belastungsgrenze ist längst überschritten.“

OFFEN GESAGT

"Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr zuwarten. Es geht uns die Zeit aus!"

Erwin Zangerl
AK Präsident


Detail-Ergebnisse aus der studie

Die Umfrageergebnisse zum Thema „Krank in die Arbeit“ liefern entscheidende Einblicke in die Bedingungen, wie im Gesundheits- und Sozialbereich in Tirol gearbeitet wird.

83 Prozent gehen krank zur Arbeit!

Weil schon so wenig Personal da ist, ist es besser, krank zu arbeiten, als gar nicht. Maske auf und geht schon!“ – die Antwort einer Befragten der AK Studie zur Situation bei den Gesundheits- und Sozialberufen gibt tiefe Einblicke in den Arbeitsalltag. Denn es sei grundsätzlich zu wenig Personal verfügbar, so der Tenor. Dies und das Veranwortungsbewusstsein, Patienten helfen zu müssen, führen zu einer sehr hohen Rate an Beschäftigten, die vergangenes Jahr krank zur Arbeit gegangen sind. So geben 11 Prozent der Befragten an, 2024 mehr als fünfmal krank gearbeitet zu haben, 32 Prozent waren drei- bis fünfmal krank in der Arbeit, 23 Prozent mindestens zweimal. 

Der Hauptgrund, warum Beschäftigte krank zur Arbeit gehen, ist das Bedürfnis, den Patienten zu helfen. 72,8 Prozent sagen, dass ihre Verpflichtung gegenüber den Patienten sie dazu motiviert, auch im Krankheitsfall bei der Arbeit zu erscheinen. Ein weiterer Grund ist der Wille, den Kolleg:innen zu helfen (23,2 %), vor allem vor dem Hintergrund permanenter Personalknappheit, Druck durch den Arbeitgeber verspüren hingegen nur 3,4 Prozent der Befragten.

Corona als Faktor

Interessant ist auch die Betrachtung der Krankenstandshäufigkeit seit der Corona-Pandemie, die im Gesundheits- und Sozialbereich besonders fordernd gewesen ist. So gibt jeder vierte der Befragten an, dass die Krankenstandshäufigkeit seit Corona zugenommen hat – ein beträchtlicher Anteil, der darauf hinweist, dass entweder die Belastung durch die Pandemie (Stress, erhöhte Arbeitslast) oder direkte gesundheitliche Auswirkungen von COVID-19 zu einer höheren Anzahl an Krankenständen geführt hat. 

Arbeitssituation I

Veränderung der Arbeitsbedingungen in den letzten zehn Jahren allgemein
Ein bedeutender Anteil gibt auf die Frage, wie sich die Arbeitsbedingungen in den letzten zehn Jahren entwickelt haben, eine negative Antwort: 28,67 % sind der Meinung, dass sich die Arbeitsbedingungen in den letzten zehn Jahren verschlechtert haben, 33,16 % geben an, dass sich die Bedingungen eher verschlechtert haben, insgesamt immerhin 61,83 %. 
21,92 % der Befragten sagen, die Bedingungen seien gleich geblieben. Das heißt, diese Gruppe sieht zwar keine Verschlechterung, aber auch keine signifikante Besserung der Situation.

Arbeitssituation II

Seit mehr als zehn Jahren im Beruf: Veränderung der Arbeitsbedingungen
Die detailliertere Auswertung der Arbeitsbedingungen für die Personen, welche sich seit mindestens zehn Jahren im Beruf befinden, zeigt ein vergleichbares Bild. Auch hier sind knapp mehr als ein Drittel der Meinung, dass sich die Arbeitsbedingungen in den letzten zehn Jahren verschlechtert haben. Mit der Gruppe jener, die sagen, die Situation habe sich eher verschlechtert, liegt der Prozentsatz bei 67,2 %. Grundsätzlich zeigt sich eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen den Personen, die seit mindestens zehn Jahren im Beruf sind, und allen Befragten.

Arbeitssituation III

Wie werden sich die Bedingungen 
in naher Zukunft entwickeln?
Die Arbeitsbedingungen der Zukunft im Gesundheits- und Sozialbereich werden sich in naher Zukunft nicht verbessern, im Gegenteil: Über 70 % der Befragten geben an, dass sich die Bedingungen verschlechtern werden. Das Vertrauen in zukünftige Verbesserungen fehlt somit, bei 30,5 % komplett, weitere 40,2 % sind pessimistisch, was die Zukunft anbelangt. Diese generelle Besorgnis und das Fehlen positiver Aussichten führen natürlich auch zu einer immer höheren psychischen Belastung, die sich auf das körperliche Wohlbefinden auswirkt.

Personalsituation

Wie macht sich die aktuelle Personalsituation in den einzelnen Bereichen bemerkbar?
Aufgrund der aktuellen Personalsituation…
Die Detail-Ergebnisse zur Personalsituation sind besorgniserregend: So geben 51,9 % der Befragten an, dass nur selten bzw. gar nicht notwendige Gefährdungs- und Überlastungsmeldungen gemacht wurden. Auch die Angaben zur Gefährdung von Klient:innen bzw. Mitarbeiter:innen sind gravierend: 33,1 % geben an, dass es manchmal, 8,8 % dass es oft zu Gefährdungen kommt. Zeit für Gespräche mit den Patient:innen bleibt nur in den wenigsten Fällen, 46,9 % geben an, dass dies selten bis nie der Fall ist. Über 10 % geben auch an, dass wichtige Pflegetätigkeiten aufgrund der Personalsituation nicht korrekt ausgeführt werden konnten.

Die gesamte Studie finden Sie in der rechten Spalte als Download.

Zur studie: So wurde die meinung erhoben

Die von der AK Tirol in Auftrag gegebene Studie wurde von der Interdisziplinären Gesellschaft für Sozialtechnologie und Forschung OG (IGSF) in Graz erstellt.
Zwischen 1. Juni und 30. Juni 2024 wurden dazu 4.283 Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich in einer breit angelegten Online-Erhebung befragt. Die hohe Rücklaufquote sowie die genaue Betrachtung verschiedener Aspekte der Arbeitsbedingungen liefern wertvolle Erkenntnisse nicht nur für den Bereich an sich, sondern auch für die Politik.

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