Thema Arbeitskräftemangel: Was läuft schief im Gastgewerbe?
Das Gastgewerbe zählt zu jenen Branchen, die besonders unter demArbeitskräftemangel leiden. Bei der Ursachensuche wird oft und gerne darauf verwiesen, dass die Leistungsbereitschaft fehlen würde, Zahlen der AK zeichnen ein anderes Bild. Problematisch ist dies auch für die Vielzahl der Betriebe, die immer korrekt arbeiten.
Die Meldungen über Gastro- bzw. Hotelleriebetriebe, die keine Mitarbeiter mehr finden und in eine ungewisse Zukunft blicken, sind zahlreich. Branchenvertreter zeichnen ein düsteres Bild und suchen nach den Ursachen. Junge würde es nicht mehr in das Gastgewerbe ziehen, weil sie ohnehin von Eltern und Großeltern versorgt würden, heißt es da ebenso, wie dass es sich viele in der sozialen Hängematte bequem gemacht hätten. Es fehle an Einsatzwille und Leistungsbereitschaft.
„Sich hier auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinausreden zu wollen, lenkt nur von den wahren Problemen, an denen der Tourismus seit Jahrzehnten krankt, ab“, stellt dazu AK Präsident Erwin Zangerl klar. Den Menschen würde es nicht an Leistungsbereitschaft fehlen, sondern an der Wertschätzung ihnen und ihrer Leistung gegebenüber.
Analyse
Worum es konkret geht, zeigt eine Auswertung der Beratungen, Interventionen und Rechtsvertretungen der AK Tirol für die Tourismus-Branche – in all diesen Bereichen zählt der Tourismus nämlich zu den Spitzenreitern. Im Beobachtungszeitraum von 1. Juli 2021 bis 30. Juni 2022 entfielen 23,9 % der Interventionen, 17,8 % der Rechtschutz-Akten und 12,8 % aller Beratungen allein auf diese Branche.
Ursachen
„Das bestätigt einmal mehr, was wir seit langem sagen: Schuld an den Schwierigkeiten, mit denen die Branche zu kämpfen hat, sind in erster Linie unattraktive Arbeitsbedingungen und nicht eingehaltene arbeitsrechtliche Vorschriften“, so Zangerl.
In erster Linie gehe es um Probleme bei den Löhnen, bei Urlaubsgeld bzw. Sonderzahlungen sowie bei Überstunden, ebenso bei den Arbeitspapieren und der Arbeitszeit. „Viele in der Branche kämpfen jetzt mit dem seit Jahren aufgebauten negativem Image und müssen umdenken und über faire Entlohnung, ordentliche Arbeitsbedingungen und planbarere Arbeitszeiten wieder an Attraktivität gewinnen. Leidtragende sind dabei auch jene Arbeitgeber, die sich hier immer korrekt verhalten haben und die, auch zu meinem Leidwesen, von den schwarzen Schafen in Verruf gebracht werden“ sagt Zangerl.
Zwischenparken
Ein weiteres Problem der Branche, so Zangerl, sei das „Zwischenparken“ beim AMS außerhalb der Saison. „Nicht nur, dass hier die Allgemeinheit zur Kasse gebeten wird, haben die Beschäftigten mittlerweile erkannt, dass sich diese Praxis massiv auf die Pensionen auswirkt. Dies ist aber gerade angesichts der Diskussion über die Teuerung ein wichtiger Punkt, denn die Altersarmut kann nicht das Ziel nach einem langen Erwerbsleben sein“, sagt Tirols AK Präsident.Letztendlich wird nur ein Bündel an Maßnahmen Beschäftigte wieder vermehrt in den Tourismus führen, die Rot-Weiß-Rot-Karte sei jedoch keine Lösung, sie würde die seit Jahren bekannten Probleme nur verlängern, so Zangerl.
AK Forderung
Das muss sich im Tourismus ändern
- Im Sommer 2021 wurden das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz aufgeweicht und die Strafen reduziert. Lohn- und Sozialdumping ist damit für Arbeitgeber leichter und billiger geworden. Die AK fordert, dass die gesetzlichen Regelungen wieder verschärft werden.
- Mehr Kontrollen: Um Lohn- und Sozialdumping, Sozialbetrug sowie Schwarzarbeit hintanzuhalten und den Arbeitnehmer:innenschutz sicherzustellen, muss mehr kontrolliert werden. Hierfür ist eine massive personelle Aufstockung der zuständigen Behörden (insbesondere bei Finanzpolizei und Arbeitsinspektorat) erforderlich.
- Bis 2019 musste bei der Anmeldung zur Sozialversicherung bzw. bei einer Änderung des Arbeitszeitausmaßes, nicht nur das Gehalt, sondern auch das vereinbarte wöchentliche Stundenausmaß gemeldet werden. Aus Sicht der AK sollte diese Regelung wieder verpflichtend sein.
- Sanktionen bei Nichtausstellung eines Dienstzettels: Der Dienstzettel ist eine wichtige Informationsquelle für Arbeitnehmer:innen. Im Gastgewerbe wird aber häufig kein Dienstzettel ausgestellt – nach jetziger Rechtslage hat das keine Folgen für den Arbeitgeber.
- Der Mehrarbeitszuschlag im Arbeitszeitgesetz soll auf 50 Prozent erhöht werden – dieser Zuschlag soll auch dann gelten, wenn Mehrstunden in Form von Zeitausgleich abgegolten werden. Der dreimonatige Durchrechnungszeitraum, der weder praktikabel noch kontrollierbar ist, soll aus dem Gesetz gestrichen werden.
- 2018 erfolgten Änderungen im Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz: Im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe ist es dadurch viel leichter geworden, die tägliche Ruhezeit von 12 Stunden auf 8 Stunden zu verkürzen. Diese Regelung muss zurückgenommen und neu gestaltet werden.
- Kein Verfall von Ansprüchen während des laufenden Arbeitsverhältnisses: Die Möglichkeit, Verfallsfristen zu vereinbaren, bewirkt, dass Überstunden oft nicht geltend gemacht werden können. Dies ist zu ändern.
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