Arbeit
„KI – Wer braucht noch Menschen?“, „Warnung vor Gefahr durch KI“, „KI könnte bald Gedanken lesen“: Kaum eine Woche vergeht ohne Schlagzeilen zum Thema Künstliche Intelligenz oder kurz KI. Viele Berichte vermuten bahnbrechende Veränderungen, mal zum Guten, mal zum Schlechten. Einig sind sich die meisten darin, dass sich Künstliche Intelligenz sehr schnell entwickelt. Was das genau für die Arbeitswelt bedeutet und was es jetzt braucht, damit KI im Sinne der Arbeitnehmer:innen entwickelt wird, haben wir hier zusammengefasst.
Meistens bemerken wir ihren Einsatz nicht, aber Künstliche Intelligenz (KI) spielt in unserem Alltag schon lange eine Rolle. Empfehlungen beim Online-Shopping, unser individuell zusammengestellter Social Media Feed oder auch der kontrovers diskutierte „AMS-Algorithmus“ – all dies und noch viel mehr entsteht, weil mathematische Vorhersagemodelle auf Basis gigantischer Datenmengen zum Einsatz kommen.
Diese bestimmen dann eben zum Beispiel, was uns im Internet angezeigt wird oder für welche Unterstützungsleistungen uns Staat und Behörden einordnen. Bisher haben die Debatten rund um Algorithmen, maschinelles Lernen und KI aber weitestgehend nur Fachleute und ihr Publikum geführt.
Das änderte sich mit einem Schlag Ende 2022. Der Chatbot „ChatGPT“ machte einen Teil der bahnbrechenden KI-Technologie plötzlich nutzbar für die breite Öffentlichkeit.
Nutzer:innen stellen dieser Anwendung Fragen oder Aufgaben („Prompts“) und die Maschine gibt darauf erstaunlich treffsichere Antworten – egal, ob Sie fragen „Was soll ich heute Abend kochen?“ oder „Was ist die Arbeiterkammer?“. Weitere Rückfragen verfeinern die Antworten immer weiter, sodass das Gefühl vermittelt wird, man würde sich mit dem Computer richtiggehend unterhalten. Bereits zwei Monate nach der Erstveröffentlichung wurde ChatGPT von über 100 Millionen Nutzer:innen verwendet. Zum Vergleich: TikTok brauchte für einen solchen Durchbruch noch neun Monate.
Bei KI-Anwendungen handelt es sich um Prognosemaschinen, also Systeme, die Vorhersagen treffen. ChatGPT kennt also nicht die Antwort auf Ihre Frage und ist auch nicht in diesem Sinne intelligent. Aber ChatGPT kann durch die Auswertung riesiger Datenmengen berechnen, welches Wort am wahrscheinlichsten auf Ihre Eingabe folgt, welches als darauffolgendes und so weiter – bis es eine Antwort gibt, die wahrscheinlich richtig ist und Ihren Anforderungen entspricht.
Je öfter ein Thema schon im Internet diskutiert wurde und je mehr Daten und Textelemente es dazu online gibt, desto fehlerfreier funktioniert das System: Fragen zu englischsprachigen Literaturklassikern werden also sicher weit besser beantwortet als jene zu neu beschlossenen Novellen im österreichischen Arbeitsrecht.
Genau das ist der zentrale Punkt in der Diskussion um KI: Ob eine Antwort richtig ist, ob Sie sie als sinnvoll erachten und für Ihre Zwecke verwenden können, das entscheiden am Ende Sie selbst: ein Mensch. Das Urteil über den Wert eines KI-Produkts bleibt somit eine menschliche Aufgabe.
Gleichzeitig lernt das System durch die menschliche Nutzung: Die Prompts, die Sie eingeben, Ihre Stichwörter, Fragen und Korrekturen verarbeitet der Bot weiter. Darauf aufbauend kann er in Zukunft noch passendere Antworten liefern.
KI-Anwendungen wie Chat-GPT verändern unser Nutzungsverhalten im Internet. Zunehmend beeinflussen sie aber auch unser Berufsleben: Medizinische Diagnostik, juristische und journalistische Recherche, das Erstellen von Berichten, das Aufsetzen kaufmännischer Schriftstücke, Übersetzungstätigkeiten bis hin zu Programmiertätigkeiten, all das kann bereits heute weitestgehend automatisiert durchgeführt werden.
Heißt das jetzt, der Mensch wird in all diesen Branchen überflüssig? Nein, das heißt es nicht. Aber: Manche Tätigkeiten können von Maschinen effizienter erledigt werden. Arbeitnehmer:innen werden ihre Arbeit durch die Hilfe der KI oft schneller erledigen und manche ihrer Aufgaben an eine KI „auslagern“ können. Das macht Menschen produktiver und KI ist somit eine durchaus positive Entwicklung. Von ihr profitieren aber in erster Linie gut qualifizierte Arbeitnehmer:innen, die die KI bewusst für sich nutzen können.
Andere, die KI für sich nicht verwenden oder nicht verwenden können, werden dagegen unter Druck geraten. Damit in Zukunft die KI diesen Menschen nicht ihre Jobs kostet, wird es eine Qualifizierungsoffensive brauchen.
Was wir dabei aber nicht vergessen dürfen: KI ist, so wie jede Form der Technik, nicht neutral. Da sie unter anderem auf den gesammelten Daten des Internets basiert, spiegelt sie bestehende Machtverhältnisse und Wertevorstellungen wider – ohne Rücksicht darauf, ob diese gerecht oder wissenschaftlich belegt sind. Ganz besonders schlägt sich die bewusste oder unbewusste Einstellung ihrer Entwickler:innen, Auftrageber:innen und Anwender:innen nieder.
Denn die Daten, mit denen KI-Systeme gefüttert und trainiert werden, enthalten viele ideologisch geprägte Verzerrungen. Diese prägen die KI, die dann, wie viele Menschen eben auch, Vorurteile haben: etwa gegenüber dem Geschlecht, der Herkunft, dem Alter oder einer Behinderung. Solche so genannten „Biases“, also einseitige und mitunter diskriminierende Tendenzen, schreiben sich über die KI fort. Fehlschlüsse sind daher immer möglich und es wird wichtig bleiben, dass Menschen diese einordnen.
Außerdem besteht eine weitere Gefahr: Unternehmen können KI missbräuchlich beauftragen oder verwenden, z.B. um Mitarbeiter:innen zu überwachen oder ihre Leistung anhand gewisser Kriterien ständig zu vermessen.
Die Arbeiterkammer setzt sich deshalb dafür ein, dass die KI im Sinne der Arbeitnehmer:innen und zu ihrem Vorteil entwickelt wird. Das heißt ganz praktisch:
In der EU wird gerade der so genannte „AI Act“ verhandelt, also eine „KI-Verordnung“. Unterschiedliche Anwendungen sollen je nach Bedeutung für die Menschen als unterschiedlich riskant eingestuft und je nachdem mehr oder weniger stark reguliert werden. Biometrische Daten oder Sozialkreditsysteme würden dann etwa strenger geregelt als beispielsweise Spamfilter.
Diese KI-Verordnung geht allerdings nicht weit genug. Sie spart die Arbeitswelt weitestgehend aus, obwohl viele Anwendungen am Arbeitsplatz eine große Rolle spielen und dort die Gefahr lauert, dass sich Machtverhältnisse zu Ungunsten der Beschäftigten verschärfen könnten.
Die KI- Verordnung muss außerdem sicherstellen, dass Menschen- und Grundrechte nicht verletzt werden. Nicht zuletzt müssen darin Haftungsfragen geklärt werden: Entwickler:innen und Anbieter:innen sollen die Verantwortung übernehmen und diese auch nicht abwälzen können. Was daran besonders heraufordernd ist: Niemandem – nicht einmal den Entwickler:innen selbst – ist von vornherein klar, wozu die Technologie fähig ist und wozu sie sich noch entwickeln könnte. Neue Fähigkeiten, so genannte „emergent abilities“, sind durch immer größer werdende Datenmengen und Rechenleistungen nämlich stets möglich.
Die KI-Verordnung der Europäischen Kommission wurde dahingehend auch überarbeitet, die Risikobewertung ist allerdings keine einfache Aufgabe. Letztlich gilt es einen Regulierungsansatz zu finden, der das Unbekannte regeln kann. Verbote braucht es überall dort, wo grundlegende (Arbeitnehmer:innen)-Rechte berührt und verletzt werden.
Die AK fordert menschenwürdige Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer:innen – auch, was das Thema Überwachung am Arbeitsplatz angeht. Die Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte müssen auch am Arbeitsplatz gesichert werden und dürfen keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt sein:
Die Entwicklung, das Potential und die breite Nutzung von ChatGPT zeigen jedenfalls den Wert und die Notwendigkeit laufender beruflicher Fort- und Weiterbildung. Niemand hat diese Anwendung in der Schule oder Berufsausbildung erlernt, aber plötzlich haben alle Zugriff darauf.
© 2024 AK Tirol | Maximilianstraße 7, 6020 Innsbruck | 0800 22 55 22