AK Präsident Erwin Zangerl
© AK Tirol/Angelo Lair
16.4.2025

AK Präsident Zangerl: "Österreich hat ein Ausgabenproblem"

22,5 Milliarden Euro beträgt das aktuelle Budgetdefizit Österreichs. Im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ) spricht AK Präsident Erwin Zangerl von hausgemachten Problemen, einem aus dem Ruder gelaufenen Förderwesen und darüber, welchen Anteil die fehlende Datennutzung an der aktuellen Finanzmisere hat. 

TAZ: Herr Präsident, nach Jahren der Krisen scheint die Wirtschaft aufgrund der neuen US-Zollpolitik nun weltweit unter Druck zu kommen. Befürchten Sie schwere Zeiten für die heimischen Arbeitnehmer:innen? 
Zangerl: Es wäre unseriös zu sagen, dass alles rund läuft. Wir haben einen Mix von Problemen, der durch das Vorgehen von US-Präsident Trump nicht kleiner wird. Allerdings ist nicht klar, wie lange Trump seine ‚Einer-gegen-alle-Politik‘ aufrecht erhalten kann, der Widerstand im eigenen Land wird ja bereits stärker. Auf der anderen Seite haben wir in Österreich ein Budgetloch von 22,5 Milliarden Euro, das leider hausgemacht ist. 

Inwiefern?
Die Ausgaben des Staates sind um 8,8 Prozent gestiegen, von 249,9 auf 271,3 Milliarden Euro – das Geldausgeben wurde 2024 also ziemlich locker gehandhabt, um es vornehm auszudrücken. Interessant dabei ist aber, dass auch die Staatseinnahmen gestiegen sind, nämlich um 4,9 Prozent. Sogar inflationsbereinigt hat der Staat damit soviel eingenommen wie nie zuvor. Unser Problem ist also nicht die Einnahmen-, sondern die Ausgabenseite. Und eigentlich werden damit die Diskussionen um die Abschaffung der Kalten Progression oder die Auswirkungen der schleppenden Konjunktur relativiert, denn einnahmenseitig hat der Staat keine Probleme, wie man sieht.


Trotzdem soll die Kalte Progression jetzt teilweise reaktiviert werden…
Diese versteckte Steuer hat Milliarden in die Staatskasse gespült und man bedient sich wieder beim Steuerzahler. Die teilweise Rückkehr der Kalten Progression kostet die Arbeitnehmer 360 Millionen Euro im Jahr und ich warne davor, komplett zum alten System zurückkehren zu wollen. Denn es trifft ohnehin nicht den Kern der Sache: Es bringt nichts, mehr einzunehmen, wenn ich auf der anderen Seite das Ausgabenproblem nicht in den Griff bekomme. 

Wie sollte das Ihrer Ansicht nach funktionieren?
Auf Basis valider Budgetzahlen können die Ausgaben natürlich gesenkt werden. So haben sich etwa die direkten Förderungen – also jene, die quasi direkt auf die Hand bezahlt werden – von 2019 auf 2024 um 12,8 Milliarden Euro verdoppelt. Problematisch ist dabei auch, dass es kaum Anhaltspunkte gibt, welche Effizienz die Förderungen haben. Dabei wurde zwischen 2013 und 2025 über alle Gebietskörperschaften hinweg Geld in nicht weniger als 5.247 Födertiteln vergeben mit einer Gesamtsumme von 303,4 Milliarden Euro. Es ist schon in wirtschaftlich guten Zeiten fraglich, jedes Problem mit Geld zu bewerfen, in schwierigen Zeiten kommt man dann zum Schluss, dass diese Praxis hinterfragt gehört und zu ändern ist.

Allerdings wurde doch ein Transparenzportal gerade für diesen Fall geschaffen… 
Einerseits hilft das, indem man die problematischen Doppelförderungen aufzeigen kann, andererseits ist diese Transparenzdatenbank zu einer Art Serviceportal geworden, aus der ersichtlich ist, was in Österreich alles gefördert wird. Das treibt die Fördersummen natürlich nach oben. Das System ist mittlerweile aber so komplex, dass bei den Wirtschaftsförderungen vermutlich keiner mehr den Durchblick hat, was wie gefördert wird. Man wird sich eben jede der derzeit 2.449 Förderungen ansehen und hinterfragen müssen.

Viel Geld wurde auch – oft planlos – im Zuge der Corona-Förderungen ausbezahlt…
Die Pandemie hat ein Problem offengelegt, das nach wie vor völlig unterschätzt wird: Man wusste nicht, wer, warum und in welcher Höhe eine Förderung bekommen soll. Von Fast-Food-Ketten über Lebensmittelkonzerne bis hin zu Immobilieninvestoren wurde Geld ausgeschüttet. Der Grund ist, dass der Staat auf einem Berg von Daten sitzt, die er nicht nutzt, weil die technische Entwicklung vernachlässigt wurde. Somit gibt es keine effiziente Daten-Verwaltung. Das gilt auch für den Teuerungsbonus: Hätte man diesen nur an Haushalte bis zu einem mittleren Einkommen ausgeschüttet, hätte man sich eine Milliarde gespart, nur als Beispiel. Aber die Ministerien haben keine Möglichkeit, das festzustellen, weil es keine zentrale Stelle gibt, die sich um die Daten der öffentlichen Hand kümmert, wie etwa in der Schweiz. Ein teurer Luxus, den sich Österreich da leistet. 

Zum Abschluss noch zu den kommenden Lohnverhandlungen: Die industrienahe Agenda Austria spricht davon, dass die Löhne davongaloppieren und fordert Lohnzurückhaltung…
Dann sollte sie sich die Entwicklung der Löhne in Bezug auf die Preise ansehen. Nicht die Löhne sind uns davongaloppiert, sondern die Preise (siehe Seite 2). Dass die Menschen dann weniger ausgeben, liegt daran, dass sie sich weniger leisten können. Gleichzeitig werden abstruse Forderungen auf Kosten der Beschäftigten und der Privathaushalte gestellt. So will man die Privathaushalte mehr an der Budgetsanierung beteiligen, weil dort so viele Sparguthaben liegen sollen. Das gilt aber nur im begrenzten Ausmaß, nämlich für diejenigen, die es sich noch leisten können zu sparen. Das ist mittlerweile nämlich ein Luxus. Wir brauchen heute im Monat fast 500 Euro mehr als noch im Jahr 2019, allein um die Grundbedürfnisse zu erfüllen. Energie, Wohnen, Lebenshaltung – alles wurde teils massiv teurer und jetzt sollen es wieder diejenigen richten, die mit ihrer ohnehin schon enorm hohen Steuerlast das Land am Laufen halten, nämlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ja, es wird Anstrengungen brauchen, den Haushalt wieder in den Griff zu bekommen, aber ich hoffe ohne die ständigen Zurufe wirtschaftsnaher Denkfabriken oder diverser Wirtschaftsweiser, die mit häufigen Fehlprognosen ihren Teil zur aktuellen Situation beigetragen haben.

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