Völser Seesiedlung: Klage gegen TIWAG eingebracht
Der Strompreis steigt um bis zu 236 %. Warum, bleibt unklar. Deshalb hat die AK über den VKI eine weitere Musterklage gegen die TIWAG eingebracht.
Obwohl die TIWAG für das Jahr 2022 einen Jahresüberschuss von 181 Millionen Euro ausweist, wurde der Strompreis 2023 massiv angehoben. Damit kann für das heurige Geschäftsjahr mit einem Rekord-Gewinn von weit über 200 Millionen Euro gerechnet werden: Nicht nur, dass sich der Strompreis mehr als verdoppelte, fließen auch über 100 Millionen Euro aus der Verbund-Beteiligung an die TIWAG…
Die Zahlen sollen eigentlich Freude bereiten, in Wirklichkeit sind sie Anlass zu tirolweitem Ärger. Die Rede ist von den Bilanzzahlen der TIWAG, die 2022 ihren Jahresüberschuss um 38,8 Millionen auf 181,3 Millionen Euro gesteigert hat. Im Vergleich zu 2020 hat sich das Jahresergebnis sogar mehr als verdoppelt. Und es wird 2023 weiter steigen und mit Sicherheit die 200- Millionen-Euro-Marke knacken. Nicht allein deshalb, da die TIWAG ohne nachvollziehbaren Grund den Strompreis nach oben getrieben hat, sondern auch durch die vom Verbund an sie ausgeschüttete Dividende in Höhe von 102,8 Millionen Euro – Geld, das aus den Krisengewinnen der Verbund AG fließt…
Die Tiroler Stromkunden profitieren von diesem Geldsegen allerdings nicht, im Gegenteil. So wollte die TIWAG-Führung den Strompreis noch im Februar um 245 Prozent (!) anheben. Erst durch das Einschreiten der AK Tirol wurde diese Preissteigerung zurückgenommen und liegt derzeit bei 18,8 Cent brutto, dies jedoch nur bei Abschluss eines Neuvertrages (mit doppeltem Bonus).
Hinzukommt die mangelnde Transparenz seitens des Landesenergieversorgers. „Die TIWAG ist bis heute nicht in der Lage, wirklich nachvollziehbare Zahlen zu den Strompreiserhöhungen vorzulegen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Strompreiserhöhung in den Bestandsverträgen völlig unnotwendig war. Und das alles auf Kosten der Tirolerinnen und Tiroler“, kritisiert AK Präsident Erwin Zangerl. Zangerl hatte bereits im Juli gefordert, den Strompreis für alle TIWAG-Kund:innen im Herbst um 10 Cent zu senken. „Es kann nicht sein, dass die TIWAG Geld bunkert, während viele nicht mehr wissen, wie sie die Stromrechnung bezahlen sollen“, kritisiert Zangerl.
Doch nicht nur die TIWAG-Kunden schauen durch die Finger, auch der Eigentümer, das Land Tirol, hat sich mit dem zu begnügen, was die TIWAG-Führung, sprich Vorstand und Aufsichtsrat ausschütten. Denn die TIWAG behält den Großteil ihres Jahresüberschusses im Unternehmen, 152 Millionen Euro fließen in die Gewinnrücklagen, nur 30 Millionen Euro gehen als Dividende an das Land Tirol. Somit weist die TIWAG neben der gesetzlichen Gewinnrücklage von 30 Millionen Euro eine freie Gewinnrücklage (beliebig einsetzbar) von nicht weniger als 1,37 Milliarden Euro auf.
Interessant ist auch die Ausschüttungsquote der TIWAG im Vergleich zu anderen Landesenergieversorgern. Diese betrug 2021 im Schnitt 38,3 %, während jene der TIWAG lediglich bei 20,4 % lag und 2022 weiter auf 16,5 % gesunken ist. Der Eigentümer erhält damit einen verhältnismäßig geringen Anteil vom erwirtschafteten Gewinn. „So wie es aussieht, hat der Eigentümer, nämlich das Land Tirol und damit die Tirolerinnen und Tiroler, nichts zu sagen. Es gibt keine Transparenz und es gibt keine schlüssige Erklärung, warum der Strompreis erhöht werden musste. Die TIWAG hat sich zu einem reinen Stromhändler entwickelt, der an den Börsen zockt, auf einem Milliardenvermögen sitzt und gleichzeitig die Tiroler zur Kasse bittet“, kritisiert Zangerl. Gleichzeitig werde die vom Land groß propagierte Energiewende ad absurdum geführt, wenn der von privaten Anlagen erzeugte Photovoltaikstrom zu niedrigsten Preisen abgegeben werden muss, derzeit bezahlt die TIWAG für eine Kilowattstunde 8,45 Cent. Auch dass die Netze laut TIWAG durch den von Privaten eingespeisten Strom überlastet seien, zeige, dass man die Menschen mit Versprechungen in die Photovoltaik treibt, die nicht erfüllt werden können.
Für AK Präsident Zangerl ist jedenfalls klar, dass der Strompreis noch im Herbst sinken muss, und zwar ohne Zahlenspielereien. Zangerl: „Ich halte nichts von einer Senkung, bei der lediglich der Bonus aufgefressen wird, wie jetzt geplant. Die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass diese Übergewinnmentalität beendet wird und der Strompreis endlich den realen Verhältnissen entspricht. Die TIWAG hat für die Mensch da zu sein und nicht umgekehrt.“
Aufgrund der starren Haltung der TIWAG-Führung sind mittlerweile zwei Klagen bei Gericht anhängig (s. u.).
Bereits im Mai wurde von der AK die erste Klage eingebracht, hier geht es um die Preisanpassung der TIWAG im Jahr 2022 und fehlende Transparenz, u. a. bei den tatsächlichen Beschaffungskosten.
Einmal mehr stehen die Informationsschreiben der TIWAG betreffend die massiven Preiserhöhungen bei Bestandsverträgen im Mittelpunkt des medialen sowie juristischen Interesses. Bei den Informationsschreiben der TIWAG zu diesen Verträgen fehlt aus Sicht der AK Tirol nämlich die erforderliche vollständige Transparenz. Daraus folgt eine weitere Klage der AK, die in diesem Fall nur die Altverträge betrifft, nicht jedoch die aufgrund des gewährten Bonus deutlich günstigeren Neuverträge.
"Nach mehreren Versuchen der AK, die TIWAG AG bei ihrer Informations- und Preispolitik zum Einlenken zu bewegen, werden mangels Einsicht des TIWAG-Vorstandes nunmehr die Gerichte entscheiden müssen", so AK Präsident Erwin Zangerl. „Unsere Rechtsansicht dazu ist klar: Die Informationen der TIWAG sind verwirrend und legen nicht wirklich dar, warum die Preise in dieser Form angepasst werden müssen, sie erfüllen zudem nicht die gesetzlichen Vorgaben für eine Preiserhöhung gemäß Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG).“ Damit steht, so Zangerl, auch fest: Die von der TIWAG im Informationsschreiben zu den Bestandsverträgen angekündigten massiven Preiserhöhungen müssen gerichtlich überprüft werden, um Rechtssicherheit zu erlangen.
Zangerl kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Informationspolitik und die Haltung der TIWAG-Führung: „Die TIWAG-Führung schreibt an die Kundinnen und Kunden, dass die TIWAG nicht verpflichtet ist, die Tiroler Bürgerinnen und Bürger und die Kleinunternehmer zu versorgen. Das ist nicht nur ein Imageschaden für die TIWAG, sondern gelinde gesagt eine Frechheit den Eigentümern gegenüber: Und das sind die Tirolerinnen und Tiroler“, sagt Zangerl. Zudem gibt es auch keine Angaben, wieviel Strom aus eigener Erzeugung kommt, in welchem Umfang Strom für die Haushaltskunden zugekauft wird und welche konkreten Faktoren Einfluss auf die aktuelle Preisgestaltung haben. Zangerl: „Kurz gesagt: Die Kunden können gar nicht wissen, aus welchen Gründen sich der Strompreis ändert, sie werden im Dunklen gelassen. Man ist in diesem Sinne völlig der Willkür der TIWAG-Führung ausgeliefert und das ist inakzeptabel, deswegen gehen wir dagegen vor.“
Der Strompreis ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Den eigenen Strompreis zu berechnen, setzt viel Nerven, Geduld und einiges an Wissen voraus…
Strompreis ist nicht gleich Strompreis: Das trifft nicht nur auf die unterschiedlichen Preise der Anbieter zu, sondern auf den Strompreis an sich. Denn was viele nicht wissen: Das, was landläufig als „Strompreis“ bezeichnet wird, ist eigentlich der „Arbeitspreis Energie“. Dieser macht einen Großteil der Gesamtkosten aus und wird direkt vom Energielieferanten bestimmt – um die Höhe dieses Arbeitspreises dreht sich die derzeitige Diskussion.
In Summe setzt sich der tatsächlich zu bezahlende Strompreis aus drei wesentlichen Komponenten zusammen: dem Energiepreis (dem Arbeitspreis und Grundpreis für Energie), dem Netzentgelt sowie den Steuern und Abgaben.
Am Beispiel der TIWAG sieht die Strompreiszusammensetzung folgendermaßen aus (comfort privat, Jahresverbrauch 3.500 kWh): 57 Prozent fallen auf den Arbeitspreis, 17 Prozent auf Umsatzsteuer und Elektrizitätsabgabe sowie 26 Prozent auf Netznutzungsentgelt, Netzverlustentgelt und Messleistungsentgelt. Die Netzkosten machen also fast ein Viertel des Strompreises aus.
Wichtig: Die Höhe der Netzentgelte sowie der Steuern und Abgaben werden nicht vom Stromanbieter bestimmt, sondern vom Bund und der Regulierungsbehörde E-Control Austria. Netzentgelte sind zudem regional unterschiedlich. Wer seinen Strompreis also selbst nachrechnet, muss auch die Netzentgelte sowie die Steuern und Abgaben berücksichtigen. Sollte dann immer noch eine Diskrepanz zur Rechnung bzw. Vorschreibung bestehen, muss man sich um Aufklärung an den Anbieter wenden.
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