"Investieren in die Zukunft statt Sparpaketen"
"Die Politik der letzten 5 Jahre hat komplett versagt", kritisiert AK Präsident Zangerl. "Aber Kampfrhetorik bringt keinen Wirtschaftsaufschwung!"
Der reflexartige Ruf nach einer Senkung der Lohnnebenkosten – der jüngste Zuruf kommt von der Tiroler Industriellenvereinigung – wird den Wirtschaftsstandort Österreich weder sichern, noch voranbringen, so das Urteil von AK Präsident Erwin Zangerl. Angesichts der derzeitigen Wirtschaftsaussichten sei es verkehrt, an den Lohnnebenkosten zu schrauben. „Auch eine Senkung um zwei Prozentpunkte würde nichts verändern. Zu glauben, damit die Probleme durch die entglittene Inflation zu lösen, ist Augenauswischerei. Das belastet den Sozialstaat weit mehr, als es der Wirtschaft helfen würde“, urteilt Zangerl. Hinzu kommt, dass die Beschäftigten durch eine Senkung der Lohnnebenkosten keinen Cent mehr in der Tasche haben werden, wie oft suggeriert wird, im Gegenteil: Für sie würde es massive Einbußen geben (siehe AK Faktencheck). Zangerl fordert deswegen eine offene Diskussion auf breiter Ebene über Maßnahmen, wie die Wirtschaftsflaute zu bekämpfen ist, und verweist auf ein aktuelles Beispiel, was die Senkung der Lohnnebenkosten mit sich bringt: So hat sich etwa der Insolvenz-Entgelt-Fonds, der im Pleitefall eines Unternehmens Gehälter übernimmt, um ein Drittel verringert und wird sich aufgrund der heurigen Großpleiten weiter verringern. „Das passiert, wenn man ohne Weitblick an den Lohnnebenkosten dreht“, so Zangerl.
Kampf gegen die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen, Kampf gegen die Teuerungswelle und die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energie-Krise, Kampf gegen die hohe Inflation: Die Bilanz der letzten vier Jahre liest sich wie das Wirtschaftstagebuch einer permanenten Krise, die Österreichs Wirtschaft eine seit Jahrzehnten nicht dagewesene Flaute beschert. Die Wirtschafts- und die Budgetlage sind angespannt, die Arbeitslosigkeit steigt. In Folge dieser Entwicklung springt auch der Konsum nicht an, die unkontrollierte Inflation hat Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichsam belastet, ebenso wie die Bekämpfung der Krisen mittels Milliarden an Steuergeld, das nun im Budget fehlt.
„Ohne Kassasturz wird es nicht gehen“, hält AK Präsident Erwin Zangerl fest. Er appelliert jedoch an die „vernünftigen Kräfte“ in den Parteien, ehrliche Auswege aus der derzeit angespannten Situation zu suchen und den Menschen nicht zu suggerieren, mit „einer Senkung der Lohnnebenkosten wäre das Budget saniert“, so Zangerl. Die Probleme würden nämlich weit tiefer reichen. Schnellschüsse hätte es in den letzten vier Jahren genug gegeben, jetzt brauche es solide Berechnungen auf der Basis solider Zahlen.
Wie gefährlich eine Senkung der Lohnnebenkosten sein kann, zeigt sich derzeit am Beispiel des Insolvenz-Entgelt-Fonds. Ist ein Unternehmen von einer Pleite getroffen, werden aus diesem Fonds die ausständigen Löhne und Gehälter der Beschäftigten bezahlt. Die Ausstattung dieses Fonds (2021 noch 979 Mio. Euro) ist bis 2023 rapide gesunken, nämlich um ein Drittel (631 Mio.). Die Insolvenzen des Jahres 2024 sind dabei noch nicht berücksichtigt, sodass der Fonds weiter an Ausstattung verlieren wird. „Damit zeigt sich die Auswirkung, die die letzte Senkung der Arbeitgeberbeiträge zum Fonds zur Folge hat“, urteilt Zangerl. Lag der Wert der Arbeitgeberbeiträge zum Insolvenz-Entgelt-Fonds 2007 noch bei 0,7 Prozent, lag er zuletzt bei nur noch 0,1 Prozent der Lohnsumme (zuletzt wurde der Satz für 2022 von 0,2 auf 0,1 Prozent halbiert). Deshalb fordert Zangerl Industrie und Wirtschaft auf, die „Karten auf den Tisch“ zu legen: „Man kann über alles offen diskutieren, auch über Lohnnebenkosten, nur dann muss gesagt werden, was gesenkt werden soll, was das bedeutet und wie man es gegenfinanzieren will“, so Zangerl.
Arbeitnehmer hätten durch eine Senkung nicht mehr Geld als zuvor – auf keinen Fall dürfe jedoch der Sozialstaat ausgehöhlt werden. Diskutieren könne man auch über Vermögenssteuern. Diese müssen jedoch für die Bevölkerung nachvollziehbar sein und es müsse klar abgegrenzt werden, wer davon betroffen sein würde. Für Zangerl ist jedoch fraglich, ob der Nutzen den bürokratischen Aufwand rechtfertigen würde: „Das wird das Budget wohl nicht sanieren"“, so der AK Präsident.
Egal ob bei der Durchforstung des Förderwesens, den Reformen bei Finanzen und Verwaltung, der hohen Abgabenbelastung auf Arbeit, der überbordenden Bürokratie oder dem fehlenden Wettbewerb in Energiewirtschaft und Handel, es brauche, so Zangerl, ein Maßnahmenpaket, das die Probleme auf vielen Ebenen angeht. Über die Entscheidungen, die während der letzten beiden Jahre getroffen wurden, lange zu diskutieren, sei verschüttete Milch, sagt Zangerl – jetzt gelte es, die Lehren daraus zu ziehen, um Wirtschaft und Arbeitsmarkt wieder anzukurbeln.
Inhaltlich forderte Zangerl eine Entlastung der Arbeitnehmer und eine Senkung der Steuern auf Löhne und Gehälter, denn diese enorme Belastung treffe vor allem den Mittelstand. „Entweder es bleibt den Menschen mehr zum Leben, oder das Leben muss billiger werden – eines von beidem werden wir umsetzen müssen, um den Konsum und damit die Wirtschaft wieder anzukurbeln“, sagt der AK Präsident. Um den Strukturwandel und die strukturellen Probleme in Österreich zu lösen, wird es jedenfalls echte Anstrengungen benötigen: „Ich hoffe, die Politik besinnt sich ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich das Beste für Österreich und seine Bürgerinnen und Bürger zu liefern“, so Zangerl abschließend.
Eine Senkung der Lohnnebenkosten hätte fatale Folgen, denn die Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung für Arbeiter und Angestellte
(= Lohnnebenkosten im engeren Sinn) beinhalten die Krankenversicherung (3,78 %), die Unfallversicherung (1,10 %), die Pensionsversicherung (12,55 %), die Arbeitslosenversicherung (2,95 %), den Wohnbauförderungsbeitrag (0,5 %),
den Zuschlag zum Insolvenz-Entgelt-Fonds (0,1 %), den Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds (3,7 bzw. 3,9 %) und die Kommunalsteuer (3 %). Zu den Lohnnebenkosten im weiteren Sinn zählen auch Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Entgeltfortzahlungen bei Krankenstand, Arztbesuchen, Urlaub etc., gesetzliche Abfertigung und Zuschläge (z. B. bei Überstunden) und Zulagen.
Betrachtet man diese Fakten, wird schnell klar: Eine Senkung der Lohnnebenkosten gefährdet die Absicherung im Falle von Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität und Alter ebenso wie die Familienbeihilfe. Weihnachts- und Urlaubsgeld werden weniger, ebenso die Abfertigungen, das Krankengeld und die Pension. Der ohnehin durch Teuerung immer kleiner werdende finanzielle Spielraum der Arbeitnehmer:innen würde sich weiter verkleinern. Spüren würden eine derartige „Senkung“ mit voller Wucht die Beschäftigten und der Sozialstaat, denn beiden würde ein großer Teil der finanziellen Grundlage entzogen. Damit würde auch der Wohlstand sinken.
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