AK Präsident Erwin Zangerl
© AK Tirol/Angelo Lair
6.12.2023

AK Zangerl: „Der Vergleich zeigt: Löhne müssen rauf, Preise runter!“

Die Profis der AK Tirol haben einen Faktencheck im Einzelhandel durchgeführt, die Ergebnisse lassen aufhorchen: Denn die oft zitierte Notwendigkeit der höheren Preise und niedrigeren Löhne im Vergleich zu Deutschland hält dem Faktencheck nicht stand. „Besonders sticht hervor, dass Einzelhandelsangestellte in Bayern pro Jahr brutto um ein Viertel mehr verdienen als in Österreich! Trotzdem sind die Preise in deutschen Supermärkten und Diskontern regelmäßig deutlich günstiger. An den Lohn- und Lohnnebenkosten kann dies, wie die Erhebung zeigt, aber eindeutig nicht liegen“, hält AK Präsident Erwin Zangerl fest.


Verglichen wurden die Lohnkosten eines/einer vollzeitbeschäftigten Verkäufer:in im Einzelhandel im 7. Berufsjahr auf Basis des kollektivvertraglichen Mindestlohnes für die Normalarbeitszeit. Sowohl ein österreichischer als auch ein deutscher Steuerberater wurden mit der Erstellung der monatlichen Lohnabrechnungen beauftragt. Inklusive der Sonderzahlungen beträgt in Bayern der Gesamtjahresverdienst EUR 37.222,50 brutto, in Österreich EUR 29.848,- brutto. In Bayern verdienen vergleichbare Verkäufer:innen daher tatsächlich um 25 % (!) mehr als in Österreich.

„Die Argumentation der Arbeitgeberseite im Handel, die geringen Lohnsteigerungen und vergleichsweise hohen Preise im Lebensmittelhandel seien aufgrund der hohen Lohn- und Lohnnebenkosten gerechtfertigt, ist durch die Erhebung jedenfalls fraglich geworden“  hält AK Präsident Erwin Zangerl das Ergebnis des Faktenschecks fest.

Ein weiteres Fazit der Erhebung: Wäre die Filialdichte tatsächlich die maßgebliche Ursache für die bestehenden Preisunterschiede, dann müssten diese bereits innerhalb von Tirol zwischen den miteinander konkurrierenden Supermärkten viel größer sein, beispielsweise zwischen Billa (mit einer geringen Filialdichte in Tirol) und Spar oder MPreis (mit jeweils hohen Filialdichten).

AK Präsident Erwin Zangerl ruft die Bundesregierung zum Handeln auf: „Die Erhebung zeigt einmal mehr, dass unsere Forderung der Preisregulierung auf Grundnahrungsmittel in Österreich endlich umgesetzt werden muss. Die Preispolitik der Supermärkte – bei der dritthöchsten Inflationsrate Europas! – lässt sich offensichtlich nicht faktisch argumentieren, wie unsere Erhebung beweist.“

Vergleich mit Bayern zeigt eklatante Lohnunterschiede im Einzelhandel

Verglichen wurden die Lohnkosten eines/einer vollzeitbeschäftigten Verkäufer:in im Einzelhandel im 7. Berufsjahr auf Basis des kollektivvertraglichen Mindestlohnes für die Normalarbeitszeit, einmal in Österreich und einmal in Bayern. Sowohl ein österreichischer als auch ein deutscher Steuerberater wurden mit der Erstellung der monatlichen Lohnabrechnungen beauftragt.

Erstens: In Bayern wird weniger gearbeitet, aber mehr verdient. So beträgt der kollektivvertragliche Mindestlohn in Bayern EUR 2.836,- brutto im Monat bei 37,50 Stunden pro Woche. In Österreich sind es EUR 2.132,- brutto bei 38,50 Stunden. Auch in Bayern gibt es zwei Sonderzahlungen, die jedoch geringer ausfallen als in Österreich (13. und 14. Gehalt). Inklusive der Sonderzahlungen beträgt daher in Bayern der Gesamtjahresverdienst EUR 37.222,50 brutto, in Österreich EUR 29.848,- brutto. In Bayern bekommen vergleichbare Verkäufer:innen daher tatsächlich um 25 % (!) mehr bezahlt als in Österreich.

Zweitens: In Bayern muss ein Unternehmen jährliche Lohnnebenkosten von EUR 9.230,06 bezahlen, in Österreich EUR 8.834,58. Die Lohnnebenkosten sind in Bayern daher um 4,5 % höher. Insgesamt betragen die jährlichen Lohnkosten für die Arbeitgeber:innen in Bayern EUR 46.452,56 für 37,50 Wochenstunden, in Österreich EUR 38.982,58 für 38,50 Wochenstunden. Das bedeutet, dass die Lohnkosten in Bayern um beachtliche 19 % höher sind als in Österreich.

Bei den ausschließlich von den Unternehmen zu zahlenden Abgaben zeigt sich zunächst, dass bei den „klassischen“ Sozialversicherungsbeiträgen (Kranken-, Pensions-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung sowie Insolvenzentgelt-Sicherung) beide Länder ziemlich gleichauf liegen. In Österreich sind dafür insgesamt 20,53 % zu zahlen, in Bayern 20,80 %. Bei den sonstigen Abgaben überholt Österreich dann Bayern, so dass ein Unternehmen in Österreich insgesamt 29,67 % an Abgaben zu entrichten hat, in Bayern 25,49 %.

Übrigens: Bei ungelernten Arbeitskräften würde der Lohnunterschied im 7. Berufsjahr noch viel höher ausfallen. In Österreich beträgt der kollektivvertragliche monatliche Mindestlohn EUR 1.986,- brutto für 38,50 Wochenstunden. In Bayern hingegen EUR 2.836,- brutto, da nach dem bayrischen Tarifvertrag eine vierjährige Berufserfahrung einer dreijährigen Berufsausbildung entgeltmäßig gleichgestellt ist.

Die höhere Filialdichte als Preis- und Lohnkostentreiber?

Zur Frage, ob eine höhere Filialdichte in Österreich als Rechtfertigung für höhere Preise oder niedrige Gehälter dienen kann, hat die AK Tirol entsprechend der Preisvergleichs-Erhebungen aufgrund von Selbstangaben der Supermarktketten im Internet einen Vergleich zwischen Tirol und Bayern durchgeführt. Dabei zeigt sich zunächst, dass die Gesamtanzahl von Filialen größerer Supermarktketten im Vergleich zur Bevölkerungsanzahl in Tirol tatsächlich höher ist als in Bayern?


Supermarkt-Filialen in Tirol 

KetteFilialen
MPreis200 
Billa

56

Spar170
Hofer47
Lidl14
Adeg19
Bevölkerungsanzahl von circa 770.000 Einwohnern

Supermarkt-Filialen in Bayern

KetteFilialen

Edeka

1240
Rewe585
Aldi531
Lidl123
Bevölkerungsanzahl von circa 13 Millionen Einwohnern


Aber vergleicht man beispielsweise drei Städte mit annähernd vergleichbarer Einwohnerzahl jeweils in Bayern und in Tirol miteinander, ergibt sich ein differenziertes Bild. Bei den Lebensmittelpreisvergleichen der AK Tirol werden die Preise von Mpreis, Billa und Spar (in Tirol) sowie Edeka, Rewe und Kaufland (in Bayern) gegenübergestellt. Deren Filialnetz zeigt in folgenden Städten mit jeweils vergleichbar großer Einwohnerzahl folgende Dichte:


Innsbruck : Ingolstadt

KetteInnsbruckIngolstadt
Mpreis34
Spar16
Billa7
Edeka15
Rewe4
Kaufland2
Aldi/Hofer86
Lidl24
Summe6731

Kufstein : Traunstein

KetteKufsteinTraunstein
Mpreis 1
Spar5
Billa1
Edeka3
Rewe1
Kaufland1
Aldi/Hofer22
Lidl21
Summe118

Telfs : Füssen

KetteTelfsFüssen
Mpreis4
Spar1
Billa1
Edeka1
Rewe2
Kaufland0
Aldi/Hofer21
Lidl12
Summe96


Der Vergleich der drei Stadtpaare ergibt, dass die von uns verglichenen Tiroler Supermarktketten nur in Innsbruck tatsächlich ein deutlich dichteres Netz aufweisen als in Bayern. Die Filialdichten von Kufstein/Traunstein und Telfs/Füssen weichen kaum voneinander ab.

Besonders interessant ist eine Betrachtung der beiden Diskonter Lidl und Aldi/Hofer, die sowohl in Deutschland als auch Österreich zu finden sind. Denn diese verfügen einerseits über deutlich weniger Filialen als ihre Konkurrenz, wobei auch der Unterschied in deren Filialanzahl zwischen den verglichenen Städten in Tirol und Bayern sich nicht erheblich voneinander unterscheidet.

Fazit

Das Filialnetz größerer Supermarktketten ist in Tirol tatsächlich dichter als in Bayern. Allerdings ist es in erster Linie von der Supermarktkette selbst abhängig, wie groß der Unterschied ist. Bei den Diskontern ist der Unterschied nicht so stark ausgeprägt.

Innerhalb Tirols haben von den von uns erhobenen Ketten Spar und Mpreis ein hohes Filialnetz, Billa ein geringes. In Bayern hat Edeka ein dichtes Netz und Rewe sowie Kaufland ein geringeres Filialnetz.

Wäre die Filialdichte tatsächlich die maßgebliche Ursache für die bestehenden Preisunterschiede, dann müssten diese bereits innerhalb von Tirol zwischen den miteinander konkurrierenden Supermärkten viel größer sein, beispielsweise zwischen Billa (mit einer geringen Filialdichte in Tirol) und Spar oder MPreis (mit jeweils hohen Filialdichten).


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