AK Präsident Erwin Zangerl
© AK Tirol/Angelo Lair
31.10.2023

AK Präsident Zangerl: "Wir sorgen für die Menschen in diesem Land!"

370.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Tirol können Tag für Tag auf ihre AK vertrauen. Dass das nicht selbstverständlich ist, unterstreicht AK Präsident Erwin Zangerl im Interview. Denn einigen ist die AK ein Dorn im Auge, weil sie sich für die Belange und Rechte der Beschäftigten einsetzt…

Herr Präsident, die AK Tirol vertritt mittlerweile 370.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, soviel wie nie zuvor. Ein gutes Zeichen?
Erwin Zangerl: Absolut, es zeigt, dass die Beschäftigungssituation in Tirol ausgezeichnet ist. Gleichzeitig ist das für uns Herausforderung und Auftrag zugleich. Wir sind die größte Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und haben Sorge dafür zu tragen, dass diese 370.000 Menschen und ihre Familien bei Problemen eine kompetente Ansprechpartnerin haben und zu ihrem Recht kommen. Dass uns das Tag für Tag gelingt, zeigt auch der aktuelle APA-OGM-Vertrauensindex, bei dem die Arbeiterkammer um vier Prozent zugelegt hat und nun hinter der Volksanwaltschaft und der Polizei auf Platz drei liegt. Und das zurecht: Der AK kann man vertrauen, und zwar in jeder Lebenslage.

offen gesagt

"Bessere Bezahlung,
geringere Steuerlast,
dann klappts auch
mit dem Standort."

Erwin Zangerl,
AK Präsident

Sie versuchen die Leistungen der AK nun auch in einem neuen Stil den Mitgliedern nahezubringen…
Die hohen Vertrauenswerte bedeuten nicht, dass wir uns darauf ausruhen werden. Es müssen auch jene wissen, dass die AK eine starke Partnerin ist, die die AK gerade nicht brauchen. Viele halten uns für selbstverständlich. Sicher, wir stehen seit über 100 Jahren auf der Seite der Beschäftigten, aber gerade in Zeiten wie diesen, in denen sich das politische Gefüge immer mehr zu verschieben beginnt, ist nichts selbstverständlich. Es ist kein Geheimnis, dass es in Österreich Kräfte gibt, die die Arbeiterkammer sozusagen zurechtstutzen wollen und das kann schneller gehen, als man glaubt. Doch wir sind nicht allein, wir sind an die vier Millionen Beschäftigte in Österreich. An denen kann man nicht dauerhaft vorbeiregieren. Und es muss klar sein: Wer die AK schwächen will, der stellt sich auch gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, da kann er plakatieren, was er will. Das denke ich, ist auch den meisten Menschen in diesem Land bewusst. Ohne die Beschäftigten steht dieses Land nämlich still, das sollte nicht vergessen werden.

Denken Sie, dass der Anstieg bei den Vertrauenswerten auch mit den Krisen der letzten Jahre zu tun hat?
Durchaus. Der Index wird ja von Jahr zu Jahr gemessen und das vergangene Jahr war geprägt von Inflation und Teuerung. Österreich erlebt Inflationsraten wie schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Die Preise für Lebensmittel schossen ebenso nach oben wie die Wohn- und Energiekosten und die Menschen haben einfach das Gefühl, dass ihnen nicht geholfen wird. Im Gegenteil: Die Beschäftigten werden sogar als Treiber der Inflation abgestempelt, weil sie es wagen, an die Entwicklung angepasste Löhne zu fordern. Da ist dann die Rede von der Lohn-Preis-Spirale, was völliger Unsinn ist. Die Beschäftigten sind nicht verantwortlich für die Inflation, sie sind die Leidtragenden. Fast jeder Wert ist heute schon Index-basiert und damit steigen die Mieten über die Bank- oder Versicherungsgebühren bis hin zu den Telefonkosten. Da ist es natürlich entscheidend, dass wir die Teuerung zu unserem Thema gemacht haben und dagegen vorgehen, wie etwa gegen die hohen Energiekosten in Tirol.

Wo Sie sich mit dem Landesenergieversorger TIWAG angelegt haben...
So würde ich das nicht sagen. Wir haben mit der TIWAG-Führung bereits im Februar Gespräche geführt, die leider ergebnislos verlaufen sind. Der Vorstandsvorsitzende wollte von seiner starren Haltung nicht abgehen, weil der Gewinn wichtiger war als die Versorgung der Tirolerinnen und Tiroler. Die erste Verhandlung gegen die TIWAG Mitte Oktober hat ja gezeigt, dass das Unternehmen nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Sogar innerhalb des Unternehmens wird der Marktpreis verrechnet und an der Börse werden aus dem gesamten TIWAG-Strom in Höhe von drei Terawattstunden durch Käufe und Verkäufe 14 Terawattstunden gemacht. Die TIWAG hat sich zum reinen Börsenhändler entwickelt, der die Tiroler Kunden seit Jahren in die Irre führt, indem sie suggeriert, der Strom, den wir aus der Steckdose beziehen, ist zu 100 Prozent ökologischer Strom aus Tiroler Wasserkraft. Jetzt musste die TIWAG vor Gericht eingestehen, dass der Strom kein Mascherl hat, höchstens ein zugekauftes Zertifikat. Was bei den TIWAG-Kunden aus der Steckdose kommt, ist grauer Strom unbekannter Herkunft. Und gegen diese Intransparenz, die sich ja auch massiv auf den Strompreis auswirkt, gehen wir vor und warten gespannt auf das schriftliche Urteil.

Die hohen Energiepreise sind auch Treiber der Inflation. Diese ist in Österreich nach wie vor höher als in fast allen anderen EU-Ländern. Was ist hier schief gelaufen und kann die Situation schnell verbessert werden?
Für eine schnelle Verbesserung sehe ich keine Chancen, da man leider in den letzten eineinhalb Jahren die Situation komplett verschlafen hat. Die Teuerung hat ja schon vor dem Ukraine-Krieg Fahrt aufgenommen und wir haben bereits Ende 2021 davor gewarnt und unsere Vorschläge gemacht. Einfrieren der Mieten etwa, aber auch Einfrieren der Energiepreise. Hier ist nichts passiert und es wurde zu lange zugewartet. Nach eineinhalb Jahren kam ein lächerlicher Mietpreisdeckel, der weit unter der Inflation lag bzw. liegt. Das Problem ist auch, dass man schon zu Corona-Zeiten unglaubliche Summen an Hilfsgeldern verteilt hat und dass diese Praxis fortgeführt wurde. Einmalzahlungen oder Energiegutscheine helfen aber niemanden, sondern befeuern nur die Inflation, das haben wir deutlich gesehen. Während andere europäische Länder schnell reagiert haben, hat man in Österreich diskutiert und sich in Lagerwahlkämpfen aufgerieben. Keine Regulierung der Energiepreise, keine Deckelung der Mieten, keine Eingriffe bei den Banken, keine Senkung der Mehrwertsteuer bei Grundnahrungsmitteln und vieles mehr. Ich meine, was ist von einem Land zu halten, in dem die Diskonter jetzt selbst die Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel fordern? Natürlich ist das eine Marketingaktion, die traurigerweise eines signalisiert: Die Politik hat bei diesem Thema völlig versagt. 

Bei den Lohnverhandlungen werden von Arbeitnehmerseite zweistellige Erhöhungen gefordert, die Arbeitgeber beklagen, dass die Konjunktur sich eintrübt und derart hohe Lohnerhöhungen den Standort schwächen würden. Was halten Sie für eine angemessene Erhöhung der Löhne und Gehälter?
Ich sage ganz offen: Wäre ich Metaller, wäre ich mit einer Forderung von 15 Prozent in die Verhandlungen gegangen. Es ist mittlerweile ja allgemein bekannt, dass die Beschäftigten in den letzten Jahren einen Reallohnverlust erlitten haben. Die Inflation ist auf jeden Fall in voller Höhe abzugelten. Und hier kann sich die Wirtschaft beim Bund bedanken, der kaum Maßnahmen gegen die steigende Inflation getroffen hat. Zumindest da waren wir wieder einmal ganz vorn. Ganz vorn sind wir in Österreich auch bei der enormen Steuerlast, die übrigens zu 80 Prozent von den rund vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern getragen wird – und diese Steuerlast ist wirklich standortgefährdend und nicht, dass Menschen ordentlich verdienen, damit sie sich ihr Leben leisten können. Und dass ständig signalisiert wird, es gäbe eine Lohn-Preis-Spirale und dass die Lohnforderungen inflationssteigernd wären, zeigt, dass ein Teil der Wirtschaftsweisen und der Politiker das Problem noch immer nicht verstanden hat. Die Beschäftigten waren nicht für den massiven Inflationsschub in Österreich verantwortlich, werden jetzt aber dafür verantwortlich gemacht. Jetzt werden den Beschäftigten in der Metallbranche lächerliche 2,5 Prozent und eine Einmalzahlung angeboten, da kann einem schon die Hutschnur reißen. Ich sage es gern noch einmal: Wenn wir die Beschäftigten nicht ordentlich bezahlen, braucht sich niemand wundern, warum wir einen Arbeitskräftemangel haben, weil einem vom Verdienst nichts übrigbleibt. Bessere Bezahlung, geringere Steuerlast und nicht umgekehrt – dann klappts auch mit dem Standort.

Im Zuge der Standortthematik werde regelmäßig auch die Senkung der Lohnnebenkosten gefordert. Wie stehen Sie dazu?
Das ist ein leidiges Thema. Fällt einzelnen Industrie- und Wirtschaftsvertretern nichts mehr ein, dann müssen die Lohnnebenkosten herhalten. Mich würde aber interessieren, was genau die Wirtschaft von den Lohnnebenkosten nicht mehr bezahlen will. Es ist immer leicht, eine Senkung zu fordern, wenn sie zu Lasten anderer, sprich der Beschäftigten, gehen soll. Die Lohnnebenkosten umfassen von der Krankenversicherung, der Unfall- und Pensionsversicherung bis hin zum Beitrag zum Familienlastenausgleichfonds wichtige Beiträge, deren Kürzung nur den finanziellen Spielraum der Arbeitnehmer weiter verkleinern würde. In den letzten Jahren hat sich auch die Praxis eingeschlichen, dass die Dienstgeberbeiträge immer mehr auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, gerade der Familienlastenausgleichsfonds ist hier ein gutes Beispiel. Da wurden die Beiträge bis 2023 auf nur noch 3,7 % gesenkt. Das, was fehlt, wird nun durch Bundesmittel bezuschusst, sprich Steuern, die zum Großteil wiederum von den Beschäftigten kommen. Das ist mit Sicherheit nicht zielführend, dass eine Senkung der Lohnnebenkos-ten auf diese Weise finanziert wird. Mit uns sicher nicht.

Anfang 2024 werden die nächsten AK Wahlen stattfinden. Welchen Stellenwert hat diese Wahl?
Einen sehr großen, so wie jede Wahl. Sie ist ein Mittel, um die Demokratie zu stärken, und jede bzw. jeder Beschäftigte, der zur Wahl aufgerufen ist, stärkt damit letztlich sich selbst und die Gemeinschaft der 370.000 Tiroler AK Mitglieder. Unseren Mitgliedern ist bewusst, wofür wir stehen und dass wir für die Menschen in diesem Land sorgen. Und ich hoffe, dass unsere Mitglieder mit ihrer Stimme für eine starke AK sorgen werden, die ihre Interessen weiterhin so vertritt, wie bisher. Wir müssen der Politik zeigen, dass wir gemeinsam stark sind und dass die Beschäftigen ihre Rechte haben. Und dass die Beschäftigten zu ihrem Recht kommen, dafür kann nur eine starke AK sorgen.

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