AK Präsident Zangerl sitzend im Gespräch.
© AK Tirol/ Angelo Lair
20.5.2025

AK Präsident Zangerl: "Gespart wird wieder beim Bürger, nicht beim Staat"

"Die große Reform bei der Budgetsanierung ist ausgeblieben, es bleibt alles beim Alten: Zugegriffen wird wieder bei den Beschäftigten", erklärt AK Präsident Erwin Zangerl im Gespräch mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ).

TAZ: Herr Präsident, die budgetäre  Situation Österreichs kann als angespannt bezeichnet werden, von Seiten der Wirtschaftsforschung kommt diesbezüglich der Ruf nach einem klaren Plan und mehr Zuversicht…
Zangerl: …was mich ehrlich gesagt verwundert, haben die ‚Wirtschaftsweisen‘ doch einen gewissen Anteil an der angespannten Stimmung im Land. Das Problem ist, dass diese sogenannten Wirtschaftsforschenden in erster Linie darüber forschen, wie sie Wirtschaft und Industrie Vorteile verschaffen können, und zwar auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nehmen wir etwa das leidige Beispiel der gerade wieder vom  WIFO-Chef geforderten Senkung der Lohnnebenkosten: Was soll da gestrichen werden und wie wird das gegenfinanziert? Natürlich wird gar nichts gegenfinanziert, man will den Beschäftigten einfach Leistungen kürzen. Ich frage mich auch, wo der Aufschrei war, als jahrelang Geld verteilt wurde, ohne den Hauch eines Plans, wie das alles gegenfinanziert werden sollte. Wo war die Warnung, als die Inflation durch die Decke ging und vor allem die AK Gegenmaßnahmen gefordert hat, wie etwa einen Eingriff bei den Energiepreisen oder den Wohnkosten? Die Zahlen und Einschätzungen, die mit Beginn des Ukrainekonflikts von der Forschung geliefert wurden, waren meist nicht valide. Oft habe ich den Eindruck, die einzelnen Damen und Herren wollen sich in ihrer Medienpräsenz überbieten. Da wird mittlerweile fast zu jedem Thema ein Statement abgegeben. Ja, wir brauchen Zuversicht aber wir brauchen auch keine permanenten Zurufe aus der zweiten Reihe, die genau den Wunsch nach mehr Zuversicht untergraben. 

OFFEN GESAGT

„Das Budget ist ein Paket vieler Einzelmaßnahmen, von denen die meisten zu Lasten der Beschäftigten gehen.“

Erwin Zangerl,
AK Präsident

Wie beurteilen Sie das Budget, das Finanzminister Marterbauer vorgelegt hat?
Die große Reform sehe ich da  nicht, es ist ein Paket vieler kleinerer Einzelmaßnahmen, von denen die meisten zu Lasten der Beschäftigten gehen. Positiv ist zumindest, dass es keinen Kahlschlag beim Sozialstaat gibt, wie unter Blau-Schwarz zu befürchten gewesen wäre, und dass halbwegs versucht wird, aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.

Also mehr Schwachpunkte als Grund zur Freude?
Schwachpunkte gibt es leider ziemlich viele, am ärgerlichsten ist sicher, dass ein zu großer Anteil der Konsolidierungslast direkt den Haushalten umgehängt wird und der Unternehmenssektor nur einen weit geringeren Beitrag leisten muss. Dabei heißt es immer, jeder müsse seinen gerechten Beitrag leisten, das sehe ich leider in vielen Bereichen nicht.

Was meinen Sie konkret?
Während wieder einkommensschwache Haushalte belastet werden, ist der Beitrag der Energiekonzerne und Banken viel zu gering, auch bei den ausufernden Fördermaßnahmen wird viel zu wenig angesetzt. Es fehlt hier weiterhin an Kontrolle, obwohl aktuell etwa 35 Milliarden an Förderungen pro Jahr ausbezahlt werden. Das wird zur Budgetkonsolidierung nichts beitragen. Auch die teilweise Rücknahme der Kalten Progression geht nur zu Las-ten der Beschäftigten, sie sollte weiterhin dazu verwendet werden, um Einkommensschwache zu unterstützen. Ärgerlich ist auch die Anhebung der E-Card-Gebühr und die Ausdehnung auf die Pensionst:innen. Das bringt wenig und belastet wiederum die niedrigen Einkommen. Alles in allem ist der ganze Budgetpfad einigermaßen ernüchternd, weil in erster Linie bei den Bürger:innen gespart wird und nicht beim Staat, wo es wirklich notwendig wäre.

Gesprochen wird auch davon, bei den Pensionen einzugreifen, etwa beim Antrittalter…
…was von den Wirtschaftsforschenden ja begeistert unterstützt wird. Aber dass deren Blick in die Zukunft sehr getrübt ist, haben die letzten Jahre deutlich gezeigt. Das österreichische Umlagesystem ist effizient und effektiv (siehe dazu Tiroler Arbeiterzeitung, Ausgabe Juni 2025, Seiten 6/7) und sollte nicht permanent schlechtgeredet werden, weil es dafür keinen Grund gibt. Mir ist schon klar, dass gewisse Gruppen von einer zweiten und dritten Pensionssäule massiv profitieren, das kann aber kein Grund sein, Menschen in riesige börsenabhängige Fonds zu treiben oder sie bis ins siebte Lebensjahrzehnt arbeiten zu lassen, wie in dem oft zitierten Vorzeigeland Dänemark. 
Ja, wir haben derzeit aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge der Boomer-Generation einen Anstieg bei den Pensionierungen, aber die Zukunft bringt auch mit sich, dass sich das wieder einpendelt. Man wirft hier irgendwelche Argumente in den Raum, ohne darüber nachzudenken, wie sich der Arbeitsmarkt und die Belastungen verändert haben und wie schwierig sich der Arbeitsmarkt jetzt schon für Ältere gestaltet. Hier liegt das großes Potenzial – wie bringe und halte ich Menschen in Beschäftigung und zwar bis zum regulären Pensionsantrittsalter – und nicht einfach sagen, jetzt arbeiten wir mal alle bis 70, um das aus dem Ruder gelaufene Budget zu sanieren. 

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