AK Präsident Erwin Zangerl
© AK Tirol/Berger
22.1.2025

AK Zangerl: "Industrie und Wirtschaft wollen Eigeninteressen durchsetzen!"

Anfang Jänner platzten die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS, auch auf Druck von Industrie- und Wirtschaftslobbys. Zurufe und Panikmache reißen seither nicht ab. „Es geht hier um politische Einflussnahme auf den Bund, mit dem Ziel, Reformen auf dem Rücken der Beschäftigten durchzubringen“, warnt AK Präsident Zangerl im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung. 

TAZ: Herr Präsident, nachdem die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS gescheitert sind, steht nun erstmals eine blau-schwarze Koalition vor der Tür: Ein Problem für Sie?
Zangerl: Für mich persönlich nicht, das ist das Wesen der Demokratie. Es wird sich aber die Frage stellen, ob es nicht ein Problem für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich wird.

Inwiefern?
Industrie- und Wirtschaftlobbys haben die Gesamtschau verloren und versuchen mit unglaublichem Druck, ihre Interessen durchzusetzen. Dadurch war letztlich auch die Dreierkoalition zum Scheitern verurteilt. Wenn man via Medien den Verhandlern dauernd mitteilt, dass Österreich am Ende ist und nur eine Radikalkur noch helfen kann, bleibt einem irgendwann kein Spielraum. Dieser Druck hat im Moment seinen Höhepunkt erreicht: Da wird von einem alles entscheidenden Schicksalsjahr 2025 gesprochen und dass es bereits fünf nach zwölf ist. Und dann wundert man sich über Kaufzurückhaltung und dass der Konsum nicht anspringt. Wenn Sie als Beschäftigter jeden Tag in den Medien lesen oder hören, dass Ihr Arbeitsplatz gefährdet ist, wirkt sich das natürlich auf die Stimmung im Land aus. Man bemerkt gar nicht, dass diese permanent verbreiteten Horrormeldungen in Richtung neue Regierung dem Standort unglaublich schaden. Dabei geht es hier ohnehin nur um eine Einflussnahme auf die Bundespolitik mit dem Ziel, die Zeit zurückzudrehen. Aber Wirtschaft ist nicht nur Selbstzweck sondern hat eine soziale Verantwortung.


OFFEN GESAGT

"Die Menschen merken schnell, ob man das, was
man ihnen versprochen hat, auch hält."

Erwin Zangerl,
AK Präsident

Sie befürchten eine Verschlechterung der Situation bei den Beschäftigten?
Wenn ich höre, dass die Lohnnebenkosten um fünf Prozent gesenkt werden sollen, wird das den Standort nicht sichern, sehr wohl aber wichtige Leistungen für Beschäftigte schmälern. Weihnachts- und Urlaubsgeld werden weniger, die Abfertigung, das Krankengeld, die Pension und vieles mehr. Und es gibt keine Konzepte zur Gegenfinanzierung. Jeder weiß, dass im österreichischen Budget enorme Summen fehlen, die 6,3 Milliarden, um die es jetzt geht, sind ja nur ein kleiner Teil und dazu da, ein EU-Defizitverfahren abzuwenden. Man braucht nicht zu glauben, dass sich ein Budget nur durch Entlastungen sanieren lässt, wie man uns jetzt weismachen will. Mit der Streichung des Klimabonus fällt etwa der Ausgleich zur CO2-Steuer, damit bleibt eben die Steuererhöhung. Alles andere sind nur Wortspielereien.

Sie gehen also davon aus, dass es zu weiteren Belastungen kommen wird?
Es ist zu befürchten, dass man versuchen wird, das Budget auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sanieren, obwohl diese ohnehin immer den Großteil der Belastungen tragen müssen. Aber egal welche Zusammensetzung sie haben wird, wir werden die neue Bundesregierung daran messen, welche Einschnitte sie für die Beschäftigten plant.

Befürchten Sie, dass auch die AK bei einer neuen Bundesregierung Abstriche machen muss?
Das wäre ein Frontalangriff auf die vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich, also den Großteil der Wählerinnen und Wähler. Die Menschen merken schnell, ob das, was man ihnen versprochen hat, auch hält – nämlich keine zusätzlichen Belastungen – oder ob man sie hintergehen will. Die AK hat ein ausgezeichnetes Standing bei der Bevölkerung und wird dringend gebraucht, das zeigt auch unsere Bilanz vom Vorjahr: Die Beratungszahlen sind erneut gestiegen und liegen jetzt bei unglaublichen 317.000 Beratungen, zudem haben wir auch heuer wieder knapp 62 Millionen Euro für die Beschäftigten geholt – Geld, das sie sonst nie gesehen hätten. Man darf auch nicht vergessen, dass die AK ein enormer Wirtschaftsfaktor ist: Wir agieren wie jeder Betrieb und leisten Steuern und Abgaben in Millionenhöhe. Zudem fließen die Gelder, die wir für unsere Mitglieder erzielen, wieder in den Konsum, unsere Umwegrentablität ist also enorm.

Wirtschaftslandesrat Gerber hat anklingen lassen, dass er eine Anhebung des Pensionsantrittsalters begrüßen würde und dass er bei den Sozialförderungen aufräumen will…
Ein Landesrat hat nicht die Interessen irgendwelcher Lobbys zu vertreten, sondern die der Tirolerinnen und Tiroler, von denen der Großteil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind. Das sind genau jene Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, die jetzt, laut Gerber, länger arbeiten sollen bei gleichzeitiger Kürzung von Sozialleistungen. Es ist auch unverständlich, warum er ein Bundesthema nach Tirol zieht, ich hätte den Eindruck, dass im eigenen Land genug zu tun wäre. Aber auch bei Gerber lautet das Motto scheinbar ‚koste es, was es wolle‘, notfalls auch den sozialen Frieden. Und zum von ihm angesprochenen Thema längeres Arbeitet: Nicht nur die Gutachten der Alterssicherungskommission, sondern auch aktuelle Zahlen aus dem zuständigen Bundesministerium zeigen, dass die Pensionen sicher sind. Das permanente Schlechtreden von funktionierenden Systemen nimmt in Öster-reich überhand. Fakt ist, dass sich die Arbeitnehmer:innen in Österreich die Pension größtenteils selbst zahlen, was man von Gerbers Klientel nicht gerade sagen kann. 

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