
4 Mrd. Verlust: "Konfusion bei ÖGK ist mittlerweile so groß wie das Defizit!"
Vom Konflikt mit Zahnärzt:innen und Augenärzt:innen bis hin zum enormen Defizit: „Die Kassenfusion hat ein funktionierendes System in enorme Schieflage gebracht!“, kritisiert Tirols AK Präsident Erwin Zangerl. Und: Die Verluste der ÖGK werden immer größer: Aus der angekündigten Patientenmilliarde werden bis 2028 vier Milliarden Euro Verlust!
Der Tiroler AK Präsident und BAK-Vizepräsident Erwin Zangerl zählte zu den vehementesten Gegnern der Krankenkassenfusion: Zu Recht, wie der aktuelle Zustand der ÖGK zeigt: Während sich die Einzelverträge, die den Zahnärzt:innen angebotenen wurden, als Flop erwiesen, spitzt sich nun der Konflikt mit 26 Tiroler Augenärzt:innen zu, die ihre Kassenverträge mit 31. März zurücklegen wollen, wenn die ÖGK ein 2023 abgeschlossenes „Strukturverbesserungspaket“ nicht dauerhaft verlängern und nachbessern will. Auch bei der Anpassung von Verträgen, zum Beispiel bei medizinischen Laboren, gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern, wo für gleiche Leistungen unterschiedlich bezahlt wird – dies natürlich zum Vor- bzw. Nachteil der Patient:innen, wie in Tirol. Von einer „Harmonisierung“ der Leistungen, wie 2020 angekündigt, ist das österreichische Gesundheitssystem nach wie vor weit entfernt.
Gleichzeitig nimmt das Budgetdefizit bedenkliche Ausmaße an. Die ÖGK steckt ordentlich im Minus: Negativergebnis von ca. 400 Millionen 2023, Bilanzverlust von 481 Millionen Euro 2024, ein erwartetes Defizit von 800 Millionen Euro für 2025 – und daran wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern, im Gegenteil. Auch aus der 2019 angekündigten Patientenmilliarde ist nichts geworden, sie blieb ein Marketing-Gag: Sie hat nicht, wie versprochen, eine Milliarde für die Patient:innen gebracht, sondern wird den Beitragszahlern bis 2028 an die zwei Milliarden Euro entziehen. „Die Befürchtungen, dass die Mega-Fusion mehr kosten wird, als sie bringt, haben sich bewahrheitet, die Menschen wurden mit haltlosen Versprechen geblendet. Nichts wurde besser, alles dauert länger und man wurde zum Bittsteller – das Gesundheitswesen in Österreich ist eine einzige Baustelle, das muss ein Ende haben“, sagt Zangerl, der erneut die Rückgabe der Kompetenzen an die Länder fordert. Denn auf dem Spiel steht die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten, die derzeitige Struktur gefährdet die Patientensicherheit und kostet die Länder enorm viel Geld. So werden allein aus Tirol bis 2027 400 Millionen Euro nach Wien abgesaugt werden, Geld, das zur Deckung des ÖGK-Defizits verwendet wird, allerdings ist die ÖGK ein Fass ohne Boden, so Zangerl.
Geschichte eines Niedergangs
Bereits Anfang 2019 brachte die Tiroler Arbeiterkammer Klage gegen die mit 1.1.2020 geplante und schließlich umgesetzte Kassenfusion ein. Einer der wichtigsten Kritikpunkte damals war das Fehlen einer soliden und planbaren finanziellen Basis. Die Klage wurde vom Höchstgericht jedoch abgeschmettert, obwohl, wie sich gezeigt hat, die Vorwürfe vollinhaltlich richtig waren.
Auch der Rechnungshof stellte 2022 fest, dass das Milliardenziel der damaligen Bundesregierung aus dem Jahr 2018 von vornherein unrealistisch war, das Sozialministerium gestand sogar ein, dass „keine Herleitung des Sparpotenzials“ vorliege. „Die Patientinnen und Patienten wurden ganz offensichtlich getäuscht. Und jetzt wirds das Defizit von Jahr zu Jahr größer und die Gesundheitsversorgung prekärer, ohne dass Gegenmaßnahmen getroffen werden“, kritisiert AK Präsident Erwin Zangerl.
ÖGK-Defizit explodierte – Millionen-Verluste durch Fusion für Tirol
Über 4 Milliarden Euro sind in der Vorschaurechnung der ÖGK bis zum Jahr 2028 eingepreist, einmal mehr hat der Zentralismus gezeigt, dass er nicht in der Lage ist, auf die komplexen Anforderungen im Gesundheitswesen eine Antwort zu geben. Nicht nur, dass durch die Zentralisierung Kompetenzen nach Wien abgeben werden mussten und sich die Wege für Patientinnen und Patienten verkomplizierten, kommt auch die finanzielle Dimension für die Länder hinzu: Denn die aus den Beiträgen der Tiroler Unternehmer:innen und Arbeitnehmer:innen erwirtschaftete Leistungssicherungsrücklage (das Eigenkapital der TGKK) ging verloren, das Geld floss und fließt seither nach Wien in die Zentrale der ÖGK ab.
„Die Tiroler Versicherten sind Fusionsopfer einer völlig verfehlten Zentralisierungspolitik, die sich jetzt auch immer massiver auf die ärztliche Versorgung und die Ärzte auswirkt“, sagt Zangerl dazu. Dabei wäre die Rückführung zumindest einiger Kompetenzen durch einfache Beschlüsse des ÖGK-Verwaltungsrats in Wien möglich – das Problem daran: Die Landesstellenausschüsse sind vom Verwaltungsrat momentan komplett ausgeschlossen.
Und die Liste der Kritikpunkte lässt sich beliebig verlängern
Nicht nur, dass die Arbeitgebervertreter in der ÖGK über Leistungsansprüche bzw. Kürzungen entscheiden, von denen sie selber nicht betroffen sind, so werden in der ÖGK-Zentrale in Wien auch über die aus den Bundesländern kommenden Geldern wesentliche Entscheidungen getroffen, ohne die regionalen Strukturen der Gesundheitsversorgung zu beachten. „Über den Einsatz und die Verwaltung der finanziellen Mittel muss dort entschieden werden, wo sie erwirtschaftet und geleistet werden, also in den Bundesländern. Es müssen dabei auch jene Gremien entscheiden können, die die regionalen Besonderheiten der Gesundheitsversorgung vor Ort und damit die Betroffenheit der Bevölkerung kennen. Diese Zentralisierung bringt das gesamte Gesundheitssystem, vom Arzt bis zum Patienten, in Schieflage“, so die Kritik von AK Präsident Zangerl. Zangerl legt diesbezüglich auch ein Forderungspaket an die kommende Bundesregierung vor. Dieses beinhaltet, dass die Entscheidungsgremien der ÖGK – entsprechend dem Finanzierungsanteil – zu 75 % von den Versicherten-Vertretern aus dem Bereich der Arbeitnehmer:innen zu besetzen sind und dass die Obmannschaft in der ÖGK und die Vorsitzführung in den Landesstellen nur mehr Arbeitnehmervertreterinnen bzw. -vertretern zustehen.
Ferner müssen die Kompetenzen der Landesstellenausschüsse bei der Verwendung und der Verwaltung der im jeweiligen Bundesland erzielten Einnahmen erweitert werden und auch die Befugnisse eines Landesstellenleiters, der dem Landesstellenausschuss als regionaler Koordinator unterstellt ist, müsse ausgedehnt werden.
„Es ist an der Zeit, so rasch wie möglich zu handeln. Das Krankenkassensystem in der derzeitigen Form steckt tief in der Krise und wird den Anforderungen nicht gewachsen sein, die die kommenden Jahre mit sich bringen werden. Es ist höchst an der Zeit wieder im Sinne der Patientinnen und Patienten und im Sinne der Regionen zu handeln. Die unsinnige und Milliarden verschlingende Zentralisierung muss schnellstens abgebaut werden, wir benötigen dringend eine Reform der Reform“, warnt Zangerl vor dem Kollaps des Gesundheitssystems.
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