Lena Marie Glaser im Interview: „Die Mitarbeiter wollen gehört werden“
In ihrem neuen Buch „Arbeit auf Augenhöhe“ beschreibt die „New Work“-Expertin Lena Marie Glaser die Arbeitswelt der Zukunft, in der ein Umdenken auf allen Ebenen stattfinden muss. Denn die junge Generation entscheidet heute nach anderen Kriterien: Sinn, Nachhaltigkeit, Wertschätzung und Mitgestaltung stehen im Mittelpunkt. Arbeitgeber werden sich darauf einstellen müssen, so Glaser im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung.Sie sagten in einem Interview, dass sich Arbeitgeber in Zukunft mehr bewegen müssen: Warum müssen sie sich mehr bewegen und vor allem wohin?
Lena Marie Glaser: In Zukunft werden sich die Arbeitgeber1) nicht mehr ihre Arbeitnehmer1) aussuchen können, sondern es wird umgekehrt sein. Das ist zum einen dem demografischen Wandel geschuldet, zum anderen sieht man deutlich, dass die jüngere Generation anders arbeiten will und dazu konkrete Forderungen stellt. Die Arbeitgeber sind damit oft überfordert und ich rate, in den Dialog mit den Bewerbern zu treten und zu versuchen, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die notwendig sind, um neue Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden
Haben die Arbeitgeber diesbezüglich Entwicklungen verschlafen?
Glaser: Viele haben immer noch nicht verstanden, dass sich die Arbeitswelt geändert hat. Es reicht nicht mehr, auf seiner Website das Unternehmen in schönen Worten anzupreisen, es geht jetzt um die realen Arbeitsbedingungen, die für die jungen Arbeitnehmer entscheidend sind. Die Arbeitgeber werden sich mehr an den Bedürfnissen der Beschäftigten orientieren müssen.
Klafft zwischen dem, was die Millenials2) wollen, und was am freien Markt angeboten wird, wirklich eine so große Lücke? Verlangen die Millenials zu viel?
Glaser: Die konkreteren Forderungen kommen von den noch Jüngeren, also der Generation Z3).  Meine Generation, die Generation Y bzw. die Millenials, traut sich das  in dieser Form noch gar nicht. Aber man spürt deutlich, dass auch ihre  Vertreter sich unwohl fühlen, unabhängig von der Branche, in der sie  tätig sind. Die Jungen haben an und für sich keine überzogenen  Forderungen, sondern sie trauen sich einfach, das zu formulieren, was  sie gerne hätten. Und sie üben Kritik an einer Arbeitskultur, wo viele  schon mit 30 ins Burn-out schlittern, weil der Druck einfach enorm groß  geworden ist.
Gewisse Wirtschaftsfunktionäre sehen die  junge Generation als Generation, die auf Kosten ihrer Eltern bzw.  Großeltern lebt und keinen Ansporn mehr zur Arbeit hat. Ist das so  simpel?
Glaser: Man kann keine Generation kollektiv als  faul oder als nicht leistungsbereit bezeichnen, weil das einfach falsch  ist. Es geht hier lediglich um die richtigen Rahmenbedingungen, die  eingefordert werden, und das ist für viele Unternehmen, die Jahrzehnte  nach demselben Schema gearbeitet haben, schwer zu verstehen. Unplanbare  Arbeitszeiten mit vielen Überstunden, gering entlohnt zu werden, zu  wenig Wertschätzung zu erfahren, zu wenig Fairness, zu wenig  Möglichkeit, sich einzubringen – das sind die Punkte, die Junge nicht  mehr akzeptieren wollen. Aber wenn das Umfeld stimmt, dann stimmt auch  die Leistungsbereitschaft. Gerade in jenen Branchen, die heute besonders  unter dem Fachkräftemangel leiden, wurde zu wenig Wert auf einen Dialog  mit den Beschäftigten gelegt, die Folgen davon sind ja bekannt.  Schuldzuweisungen bringen aber nichts,  es muss ein Dialog entstehen und  man wird sich in der Mitte treffen müssen.
Den  Jungen, die mit verringerter Stundenanzahl arbeiten wollen, wird oft  vorgehalten, dass sich das ja massiv auf die Pension auswirken wird…
Glaser:  Meine Gespräche zeigen, dass viele von ihnen heute nicht mehr daran  glauben, in 40 Jahren überhaupt eine Pension zu erhalten. Das ist die  wahre Gefahr, die dahintersteckt, eine etwas fatale Sicht auf die  Zukunft. Viele haben einfach Angst, nicht nur in Bezug auf den  Klimawandel. Es fehlen auch die Anreize, weil viele Junge von vornherein  sehen, dass sie sich beispielsweise kein Eigenheim leisten können,  weil unerschwinglich oder dass sie keine Altersversorgung bekommen  werden usw. Der Generationenvertrag muss diesbezüglich sicher überdacht  werden.
Der AK Arbeitsklima-Index zeigt, dass ein  Viertel der Beschäftigten ihren Job wechseln wollen. Wohin sollten sie  wechseln, wenn die Arbeitskultur allgemein von überkommenen Mustern  geprägt ist, wie Sie sagen?
Glaser: Das ist in der aktuellen  Situation ganz schwierig. In diesem permanenten Krisenmodus sind viele  froh, ihren Job zu haben. Aber die Unzufriedenheit ist trotzdem da und  die Zahl der Unzufriedenen ist eben groß. Das führt dann zum sogenannten  Quiet Quitting, quasi zur inneren Kündigung, die Menschen resignieren  und damit verliert das Unternehmen einen einstmals motivierten  Mitarbeiter. Das ist die große Gefahr.
Sie haben  selbst in einem Ministerium gearbeitet: Glauben Sie, dass sich in so  großen Verwaltungseinheiten bzw. in großen Betrieben die Strukturen so  ändern lassen, dass ein wertschätzendes Betriebsklima entsteht, das  junge Menschen fordern? 
Glaser: Der Druck, Personal zu finden,  ist auch in diesen Organisationen zu spüren, sodass hier schon zu  beobachten ist, dass das Bewusstsein für eine Arbeitskultur auf  Augenhöhe wächst. Vorangetrieben wird das oft von engagierten  Führungskräften, die wissen, dass es Motivation und Ansporn ist, wenn  Mitarbeiter die Möglichkeit haben, sich einzubringen. Von heute auf  morgen wird sich das nicht ändern, aber ich bemerke, dass immer mehr  Führungskräfte erkennen, wieviel Potenzial ihrer Mitarbeiter nicht  genutzt wird, nur weil nach althergebrachten und überholten Methoden  geführt wird. Entscheidend wird sein, wie schnell sich eine neue  Generation an Führungskräften bildet, die erkennt, dass man viel mehr  erreicht, wenn man Mitarbeiter ordentlich behandelt und einbindet.
1) bezieht sich auf m/w/d
2) Generation, die im Zeitraum der frühen 1980er bis späten 1990er Jahre geboren wurde (Generation Y)
3) Nachfolgegeneration der Generation Y(Millenials). Zugerechnet werden jene, die 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind.
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