AK Tirol, Friedle
© AK Tirol, Friedle
13.12.2022

AK Präsident Zangerl: "Zuviele stehen an der Armuts-Schwelle"

Das Leben teuer, Energie und Wohnkosten enorm: Für viele sind die anfallenden Ausgaben oft nicht zu bewältigen. Und die Situation bleibt trotz Hilfsmaßnahmen angespannt… Lesen Sie dazu AK Tirol Präsident Erwin Zangerl im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung.

Tiroler Arbeiterzeitung: Herr Präsident, die Situation bei den Energiepreisen bleibt angespannt trotz Strompreisbremse und Energiegutscheinen. Wurde noch zu wenig von Seiten der Politik getan?
Erwin Zangerl: Es wurden viele Schritte gesetzt und natürlich hilft jede Maßnahme. Aber es ist nach wie vor viel zu tun, vor allem auch, da einige Maßnahmen auf Krücken daherkommen. So holt sich der Finanzminister bei der Strompreisbremse Geld über die Mehrwertsteuer zurück, ebenso ist nicht klar wann die Strompreisbremse für den Einzelnen wirklich spürbar wird, das kann im schlechtesten Fall erst in einem Jahr sein. Probleme gibt es auch bei den Netzgebühren, die um bis zu 633 Prozent steigen sollen. Es bleibt das Gefühl, dass man im Bund von der Energiekrise überrollt wird. Das wird zwar noch nicht so bedrohlich wie die Pandemie wahrgenommen, ist es aber in Wirklichkeit.

Sie haben sich als einer der Ersten für die Strompreisbremse ausgesprochen, verlangen aber Preisbremsen für andere Energieformen…
Es braucht eine generelle Energiepreisbremse. Allerdings sehe ich große Hindernisse, wenn etwa der Finanzminister kategorisch eine Gaspreisbremse für private Haushalte ablehnt und das mit haarsträubenden Argumenten. Für die Wirtschaft will man eine solche Gaspreisbremse allerdings, hier wird mit zweierlei Maß gemessen, was nicht besonders sozial ist. Ein weiterer besonders schwieriger Markt ist der der Fernwärme, bei dem es überhaupt kein Regulativ gibt. Und während man bei den Mineralölfirmen im großen Stil die Kriegsgewinne sieht, beginnt das jetzt auch bei der Fernwärme um sich zu greifen, auch in Tirol.  Wir haben bereits 2011 erstmals darauf hingewiesen, dass es klare gesetzliche Regelungen braucht, was sich derzeit im Bezirk Lienz abspielt, zeigt auch warum. Dort erpressen Biomasse-Zulieferer Energieanbieter samt Kundinnen und Kunden und treiben die Preise in die Höhe. Wir haben also noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, wenn es darum geht, den Markt im Bereich der Grundversorgung zu regulieren. Denn eines ist klar: Der freie Markt heizt keine Wohnungen, da heißt es dann ‚friss oder kalt‘.

Neben den Energiekosten werden auch die Wohnkosten zunehmend zum Problem…
Hier wird fleißig indexiert, wie überhaupt im Moment alle index-hörig sind, wenn es darum geht, die Preise nach oben anzupassen. Da halten die Löhne nicht mehr mit und die Mieten selbst werden zum Inflationstreiber. Den Menschen fehlt jedoch immer häufiger das Geld, um grundlegende Bedürfnisse zu decken. Die Mieten hätten schon vor einem Jahr eingefroren werden müssen. Wir laufen Gefahr, dass hier irgendwann das System kollabiert, weil sich sogar Besserverdienende die Miete kaum noch leisten können, von Eigentum ganz zu schweigen. Die Zahl derjenigen, die armutsgefährdet sind, steigt und steigt.

Laut einer Studie des Landes sollen an die 100.000 Personen in Tirol als armutsgefährdet gelten…
Eine unglaubliche Zahl, wobei die Daten die Ukraine- und Energiekrise, die mit 2022 begonnen haben, gar nicht berücksichtigen. Das wird sich also erhöhen und es ist nicht angenehm zu wissen, dass in unserem Land zuviele an der Armuts-Schwelle stehen. Wir haben unglaublich viel Arbeit vor uns, damit das im kommenden Jahr nicht aus dem Ruder läuft. Aber es stehen auch in Tirol große finanzielle Mittel bereit und ich kann nur jede bzw. jeden immer wieder auffordern, davon Gebrauch zu machen. Bei Fragen dazu stehen wir auf jeden Fall zur Verfügung und helfen.


OFFEN GESAGT

"Es braucht eine generelle
Energiepreisbremse!"

Erwin Zangerl,
AK Präsident


AK Warnung: Energiearmut greift um sich

Die jüngsten Zahlen bestätigen, wovor die AK bereits vor einem Jahr gewarnt hat: Die Energiearmut steigt und immer mehr Menschen sitzen in kalten Wohnräumen. Rund 123.800 österreichische Haushalte galten bereits 2020 als „energiearm“, mittlerweile geben 370.000 Haushalte an, sich ihre Heizkosten nicht mehr leisten zu können. „Die überdurchschnittlich hohen Energiekosten und die gleichzeitig niedrigen Einkommen führen viele in einen Teufelskreis, der damit endet, dass sie sich das Heizen nicht mehr leisten können. Das ist nicht zu akzeptieren“, so AK Tirol Präsident Erwin Zangerl, der auf die Pflicht der Energie-Unternehmen zur Grundversorgung hinweist. „Diese Diskussion gehört schnellstens beendet und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger gelöst. Es kann nicht angehen, dass sich Energieunternehmen über die Grundversorgungstarife bereichern“, kritisiert Zangerl. Gleichzeitig erneuert er seine Forderung nach einer raschen Umsetzung der Übergewinnsteuer.  

Bund und Länder müssen ihre Aufgaben bei der Bekämpfung der Teuerung wahrnehmen, so der  AK Präsident. Gleichzeitig fordert Zangerl auch mehr Solidarität von Industrie und Wirtschaft ein, gerade im Bereich der enormen Kriegsgewinne.

Die neuesten Zahlen der Statistik Austria würden zeigen, dass der Kampf gegen die Teuerung noch lange nicht vorbei ist, sondern in eine kritische Phase eintritt. „Bund und Land haben zwar bereits umfangreiche Entlastungsprogramme aufgelegt, aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Viele brauchen dringend Hilfe. Deshalb auch mein Appell an jene, die Hilfe brauchen, diese Hilfe auch in Anspruch zu nehmen und sich an die zuständigen Stellen zu wenden“, so Zangerl. „Aber eines muss uns klar sein: Der freie Markt heizt keine Wohnungen, das hat sich deutlich gezeigt. Deshalb muss hier gezielt eingegriffen werden, um die Teuerung zu dämpfen“, so Zangerl.

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