
AK Präsident Erwin Zangerl: "Probleme in Österreich sind hausgemacht!"
Seit mittlerweile fünf Jahren leiden die Menschen in Österreich unter hohen Preisen und hoher Inflation. AK Präsident Erwin Zangerl warnt im Interview vorweiterem Stillstand und Entscheidungen, die die Grundfeste des Staates gefährden.
Herr Präsident, die Teuerung in Österreich ist nach wie vor ein großes Problem. Als Sie bereits im Dezember 2021 Vorschläge brachten, um die Teuerung österreichweit einzudämmen, waren die Reaktionen seitens der Bundespolitik dürftig…
Zangerl: Leider. Zu der Zeit war man damit beschäftigt, die Wirtschaft nach dem Prinzip „koste es, was es wolle“ zu stützen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits eine Inflation von 4,2 Prozent, das heißt, die Preisspirale drehte sich bereits nach oben. Es musste eigentlich klar sein, dass ohne Gegenmaßnahmen die Teuerung nicht zu stoppen ist. Als dann im Februar 2022 der Überfall Russ-lands auf die Ukraine stattfand, stand man der zusätzlich einsetzenden Energiekrise und steil steigenden Inflation hilflos gegenüber. Und das ist ärgerlich: Wenn es Industrie- und Wirtschaftslobbys gerade passt, wird in den Markt eingegriffen, und wenn es nicht passt – siehe bei den exorbitanten Gewinnen der Energiekonzerne – dann wird eben nicht oder nur alibimäßig eingegriffen. Das ist falsch, denn dadurch werden nur die Interessen Einzelner geschützt, nicht aber die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher. Und die sind es letztlich, die sich mit ihrem hart erarbeiteten Geld immer weniger leisten können.
Allerdings stiegen mit der Inflation auch die Löhne…
Zangerl: …und jetzt wird so getan, als ob das ein Gnadenakt war. Bevor die Löhne allerdings angepasst werden mussten, sind die Preise davongaloppiert – der Auslöser dieser Preis-Lohn-Spirale waren nicht die berechtigten Forderungen der Arbeitnehmer:innen, sondern ein Versagen auf bundespolitischer Seite. Alle handelnden Personen inklusive der Wirtschaftsexpert:innen schlugen die Warnungen in den Wind. Und jetzt müssen wir, angesichts der erneut steigenden Inflation, wieder darüber reden, ob wir den Markt steuern sollen oder nicht. Die Inflation ist mittlerweile wieder so hoch wie im Dezember 2021 – die angespannte globale Situation sollte uns Warnung genug sein, endlich die Teuerung bei Energie, Lebensmitteln und Wohnen in den Griff zu bekommen. Das ist auch Gift für den Wirtschafsstandort.Und bleiben wir bei den Tatsachen: Es kann doch keiner wirklich glauben, dass das hohe Preisniveau gesunken wäre, hätte man die Löhne eingefroren – eine irrwitzige Idee, die sogar jetzt noch von einigen als Heilmittel gesehen wird. Zuallererst sind es die hohen Energiepreise, die von den Unternehmen weitergegeben wurden und nach wie vor werden, weil der Bund nicht eingegriffen hat. Und das, obwohl die Energiebranche zum großen Teil im Eigentum der öffentlichen Hand steht – man hat sich einfach geweigert. Daran hat sich leider bis heute nichts geändert. Nur als Beispiel: Der Entwurf zum neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz sieht vor, dass Anbieter Preiserhöhungen sofort an die Kund:innen weitergeben können, bei Preissenkungen hätten sie bis zu sechs Monate Zeit. Dass man so etwas gesetzlich absegnen will, zeigt am besten, was in Österreich schiefläuft. Bevor man sich hier um faire Preise für Nahrungsmittel oder Energie kümmert, stützt man lieber die Konzerne und friert die Löhne ein, ohne zu bedenken, was das für fatale Auswirkungen hat, nicht nur auf den Einzelnen, sondern auf die komplette Volkswirtschaft.
Nun wird aber versucht, die Konjunktur mit einem Paket von einer Milliarde Euro anzukurbeln…
Zangerl: Das Problem ist, dass der Staat noch so viele Konjunkturpakete schnüren kann – wobei eine Milliarde derzeit ein Tropfen auf den heißen Stein ist – solange er das Ausgabenproblem nicht in den Griff bekommt. Nur als Beispiel: 2019 lag die Staatsausgabenquote bei 48,6 Prozent, aktuell liegt sie bei 56,8 Prozent. Hätten wir heute die Ausgabenquote von damals, hätten wir 40 Milliarden zur Verfügung und müssten darüber diskutieren, wie wir den Überschuss verwenden, anstelle ein 20 Milliarden-Budgetloch stopfen zu müssen. Die Politik mit der Gießkanne hat Österreich Milliarden gekostet und weder Wirtschafts- noch Konsumaufschwung gebracht.
Kritiker werfen ein, dass viele Milliarden in die Erhaltung des Sozialstaats fließen…
Zangerl: Wissen Sie, man kann natürlich alles und jeden zum Sündenbock machen, aber wir reden hier von einem System, das seit mittlerweile 80 Jahren den sozialen Frieden sichert. Denn Fakt ist, dass der Sozialstaat in Österreich 880.000 Menschen aus der Armut hebt, darunter fast 300.000 Kinder. Ohne Sozialleistungen wäre in Österreich fast ein Viertel der Bevölkerung armutsgefährdert und ich finde, wir sollten besser darüber diskutieren, wie es in einem Land wie Österreich dazu kommen kann. Und das liegt nicht daran, dass es sich die derzeit 1,3 Millionen armutsgefährdeten Menschen in Österreich in der sozialen Hängematte bequem machen. Ich bin nicht gegen das Sparen, aber wir können doch nicht bei jenen ansetzen, die ohnehin wenig haben. Unser größtes Problem liegt daran, dass der Staat seit fast zehn Jahren nicht mehr in der Lage ist, die Rahmenbedingungen für eine wachsende Gesellschaft und funktionierende Wirtschaft vorzugeben. Wir können natürlich sagen, wir kürzen die Sozialausgaben um jene 20 Milliarden, die uns im Budget fehlen. Und wir erreichen damit endgültig die Spaltung der Gesellschaft – mit allen Folgen, die wir aus der Geschichte kennen. Die Probleme in Österreich sind hausgemacht und auch wenn die Lösung nach Jahren des Stillstands nicht einfach ist, wird es nicht die Lösung sein, die Grundfeste unseres Staates zu zerstören.
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