AK Präsident Zangerl: "Bund muss bei Reformen aufs Tempo drücken!"
In Österreich fehlen Reformen, zudem müssen Themen wie Österreich-Aufschlag, Förderwesen oder Einheimischen-Tarife gelöst werden, fordert Tirols AK Präsident Erwin Zangerl im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ).
TAZ: Herr Präsident, aufgrund der angespannten finanziellen Lage der Republik werden allerorts Pläne vorgestellt, wie das Defizit zu bekämpfen ist. Darunter fällt auch die Betrugsbekämpfung, wobei Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger auf den Sozialleistungsbetrug der Arbeitnehmer:innen hingewiesen hat…
AK Präsident Zangerl: ...und gleichzeitig verschwiegen hat, dass der dadurch entstandene Schaden ein Bruchteil dessen ist, was dem Staat auf Seiten der Wirtschaft entgeht. Aber um das gleich klarzustellen: Sozialleistungsbetrug ist, wie Betrug allgemein, kein Kavaliersdelikt und ist natürlich dementprechend zu ahnden. Und natürlich tragen Arbeitnehmer:innen ebenso Verantwortung wie Arbeitgeber, aber man muss das alles in Relation setzen und die Dimensionen richtig einorden. Egger selbst spricht von 135 Millionen Euro, die durch Sozialleistungsbetrug der Arbeitnehmer:innen dem Staat entstanden sind – seit 2018 wohlgemerkt. Und jetzt nehmen wir als Beispiel nur die Beitragsrückstände der Dienstgeber:innen bei der Österreichischen Gesundheitskasse: Diese sind im vorigen Jahr auf satte 908 Millionen Euro gestiegen. Das heißt, hier werden vorgeschriebene Beiträge einfach nicht abgeführt, und das in unglaublicher Höhe. Diese Sozialversicherungsbeiträge werden einfach einbehalten, obwohl sie den Arbeitnehmer:innen bereits vom Lohn abgezogen wurden. Das gilt auch für die Beiträge zu Abfertigung Neu, Wohnbauförderung oder Pension.
Das heißt, dem Staat entsteht dadurch ein enormer Schaden?
Der Schaden für den Staat ist wirklich enorm, vor allem, da ein Großteil dieser nicht abgeführten Summe insolvenzverhangen und damit verloren ist. Nicht umsonst ist das Nicht-Abführen vorgeschriebener Beiträge ein Strafdelikt, das laut Strafgesetzbuch mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu sanktionieren ist. Aber nicht nur der Staat ist von diesem Betrug betroffen, sondern auch die Wirtschaft selbst und natürlich die Beschäftigten. Denn die Folgen sind ausstehende bzw. keine Gehaltszahlungen, Entlassungen und Zulieferer bzw. Dienstleister, die auf ihren Forderungen sitzen bleiben, was zu weiteren Insolvenzen führen kann. Wer dann arbeitslos wird, soll in ein möglichst schwaches soziales Netz fallen, denn das Sozialsystem darf ja nicht überreizt werden, wie die Wirtschaftslobby fordert. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Fairness ja, aber dann bitte wirklich auf beiden Seiten.
Sie haben letzthin mehr Tempo seitens der Bundesregierung bei Reformen gefordert…
Die Situation ist natürlich aufgrund der Entwicklungen der letzten zehn Jahre schwierig, es wurde bei vielen Dingen viel zu lange zugewartet und es wurden viele für den Wirtschaftsstandort unvorteilhafte Entscheidungen getroffen: Man hat bei wettbewerbswidrigen Instrumenten wie dem Österreich-Aufschlag einfach zugesehen, der von vornherein für teurere Lebensmittelpreise in Österreich gesorgt hat. Man hat die Energiepreise durch die Decke gehen lassen, was wiederum die Inflation befeuert hat, die wir jetzt sehr schwer in den Griff bekommen. Man hat ein Förderwesen etabliert, dessen Fördervolumen weit über dem EU-Schnitt liegt. In kaum einem europäischen Land wird so stark umverteilt, wie in Öster-reich. Die Pandemie hat dies noch ver-stärkt, sodass direkte und indirekte Förderungen aktuell 7,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Würde man das Fördervolumen vor Corona erreichen, das bereits 6 Prozent betragen hat, würde allein das Einsparungen von 9 Milliarden Euro bringen. Das geht sicher nicht von heute auf morgen, aber das Förderwesen muss sinnvoll umgebaut werden. Die Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit der derzeit rund 3.100 Förderungen muss hinterfragt werden, oft werden solche Förderungen ja einfach fortgeschrieben. Aber durch den jahrzehntelangen Reformstau ist Österreich in eine schwierige Lage geraten, noch dazu, da wir nach wie vor viel mehr ausgeben als einnehmen. Das hält kein Haushalt auf Dauer durch, deshalb mehr Tempo bei Reformen. Denn am Ende bezahlen die Arbeitnehmer:innen den Preis für einen schwachen Wirtschaftsstandort.
Eine zusätzliche Belastung für die Beschäftigten stellt auch die Abschaffung der Einheimischen-Tarife dar. Wie ist hier die aktuelle Situation?
Nachdem der wirkliche Druck seitens der Bundesregierung auf Brüssel ausgeblieben ist, haben Landeshauptmann Mattle und ich den zuständigen EU-Kommissar bei einem Treffen auf die Situation hingewiesen und ich hoffe, dass wir im Laufe des kommenden Jahres einen Durchbruch erzielen und die dafür verantwortliche Geo-Blocking-Verordnung außer Kraft gesetzt wird. Die Signale aus Brüssel sind jedenfalls vielversprechend. Wir waren aber auch auf einer anderen Ebene nicht untätig und haben das Leistungsspektrum unserer AK Schutzkarte weiter ausgebaut: Derzeit bieten über 20 Partnerunternehmen deutliche Vergünstigungen für unsere 360.000 Arbeitnehmer:innen und deren Familien an, teilweise bis zu 30 Prozent. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Unternehmen bedanken, die dies im Sinne der Tiroler Arbeitnehmer:innen ermöglichen und mit uns beim Thema Einheimischen-Tarife an einem Strang ziehen. Wir werden hier jedenfalls nicht locker lassen.
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