ZBR-Vorsitzende Seidl im AZ-Interview: "Tirol Kliniken - Einsatz für Fairness"
Das Land Tirol plant ein umfassendes Sparpaket, das auch den Gesundheitsbereich betrifft. Für die Mitarbeiter:innen der Tirol Kliniken bedeutet das steigenden Druck, drohende Arbeitsverdichtung bei gleichzeitig massiven Ungleichheiten im bestehenden Vergütungssystem. Im Gespräch mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ) erklärt ZentralbetriebsratsvorsitzendeBirgit Seidl, warum das Land Tirol auf dem Rücken der Beschäftigten spart, wo die größten Ungerechtigkeiten liegen und warum Erfahrung endlich wieder mehr zählen muss.
TAZ: Frau Seidl, in den Tirol Kliniken sorgt das geplante Sparpaket des Landes Tirol für Verunsicherung. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?
Birgit Seidl: Wir verstehen natürlich, dass das Land Tirol wirtschaftlich Verantwortung tragen muss. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, auf dem Rücken der Beschäftigten zu sparen. In unseren Häusern arbeiten Menschen, die seit Jahren alles geben – in Tag- und Nachtdiensten, in Krisenzeiten, mit höchster Verantwortung. Diese Menschen sind nicht die Kosten, sie sind diejenigen, die unser Gesundheitssystem tragen. Wird hier gespart, spart man in Wirklichkeit nichts, sondern es entstehen hohe Folgekosten durch Überlastung, Krankenstände, Fluktuation und Qualitätsverlust. Deshalb ist Gesundheit auch kein Sparprojekt, bei dem die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt.
Der Begriff „Arbeitsverdichtung“ fällt in diesem Zusammenhang häufig. Was bedeutet das konkret?
Arbeitsverdichtung bedeutet mehr Patient:innen, mehr Aufgaben, aber nicht mehr Personal. Wenn Stellen nicht nachbesetzt werden, ist das kein Zeichen von Effizienz – das ist ein Risiko. Es gefährdet die Sicherheit der Patient:innen und die Gesundheit der Beschäftigten.
Zusätzlich gibt es Streit um das Vergütungssystem ALT und NEU. Worum geht es dabei?
Das ist ein zweites, aber eng verknüpftes Thema. Mit 1. Jänner 2025 hat das Land Tirol eine Gehaltsanpassung umgesetzt – allerdings nur im NEU-System. Die Kolleg:innen im ALT-System wurden vergessen. Das betrifft gerade jene Mitarbeiter:innen, die seit vielen Jahren das Rückgrat der Tirol Kliniken bilden. Diese Ungleichbehandlung sorgt für Unverständnis und Frust. Niemand versteht, warum jemand mit 15 oder 20 Jahren Berufserfahrung weniger verdienen soll als jemand, der erst seit Kurzem dabei ist.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Eine Pflegekraft in einem hoch spezialisierten Bereich verdient im ALT-System über 500 Euro brutto weniger pro Monat als Kolleg:innen im NEU-System – bei gleicher Verantwortung und Arbeitsbelastung. Oder ein weiteres Beispiel: Eine erfahrene Pflegekraft in der Ambulanz etwa, die Kolleg:innen im neuen System einschult, verdient rund 160 Euro weniger im Monat. Wenn aber diejenigen, die das Wissen weitergeben, weniger verdienen als jene, die sie einschulen, dann läuft etwas grundlegend falsch.
Wie hat das Land Tirol auf diese Ungleichheit reagiert?
Ich habe mehrmals versucht, das Thema persönlich auf höchster Ebene mit dem Finanzreferenten und Personalreferenten des Landes Tirol zu besprechen. Leider wurde ich mehrfach vertröstet. Die Wertschätzung unserer Arbeit zeigt sich aber nicht in schönen Worten, sondern darin, dass man bereit ist zuzuhören und Lösungen zu suchen. Und das ist bisher nicht passiert.
Was sind die konkreten Forderungen des Betriebsrats?
Ein Lohnsystem für alle – ohne Nachteile, Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei allen Berechnungen. Und strategisches, faires Sparen, das die Versorgung sichert, statt sie zu gefährden. Wir fordern vom Land Tirol auch, dass Erfahrung, Treue und Verantwortung wieder einen Wert haben müssen. Wer 15 oder 20 Jahre in diesem Beruf steht, verdient Sicherheit – keine Vertröstungen.
TAZ: Wie erleben Sie die Stimmung bei den Tirol Kliniken?
Seidl: Viele Kolleg:innen sind enttäuscht, manche wütend, trotzdem geben alle tagtäglich ihr Bestes. Gerade in einer Welt voller Unsicherheit, mit Kriegen, Krisen und steigenden Lebenshaltungskosten, wäre es wichtiger denn je, dass zumindest das eigene Arbeitsumfeld Verlässlichkeit und Fairness bietet. Denn unsere Mitarbeiter:innen sind das Rückgrat des Systems. Sie halten die Gesundheitsversorgung am Laufen – Tag und Nacht, egal wie schwierig es ist.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die Politik muss endlich erkennen, dass das Gesundheitssystem nicht von Zahlen oder Budgetposten lebt, sondern von Menschen. Wir brauchen nicht noch mehr Sparlogik, sondern Respekt und echtes Zuhören. Ich wünsche mir deshalb mehr Fairness, Transparenz und Menschlichkeit. Und es muss sich endlich die Erkenntnis durchsetzen, dass die Mitarbeiter:innen kein reiner Kostenfaktor sind, sondern diejenigen, die das System am Laufen halten.
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