Umwälzungen bei Swarovski: "Gelände in Wattens soll verkauft werden!"
Am Swarovski-Stammsitz in Wattens soll es zu großen Umwälzungen kommen, sollten die Pläne der Konzernführung umgesetzt werden. Zentralbetriebsratsvorsitzende Selina Eder spricht im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ) erstmals über den möglichen Ausverkauf von Wattens.
TAZ: Wie aus Kreisen der Gesellschafter zu erfahren ist, soll ca. 1/3 des Hauptwerksgeländes, ca. 80.000 m², verkauft werden. Dabei soll es sich um den Eingangsbereich handeln, inklusive Hochhaus und Säurepolierung. Wurden die Mitarbeiter davon ebenfalls in Kenntnis gesetzt? Sind dies nicht wesentliche Gebäudeteile, die vorwiegend von Angestellten benützt werden?
Selina Eder: Ja, das haben wir über inoffizielle Kanäle auch so vernommen. Offizielle Informationen gab es bisher weder an uns Betriebsräte noch an die Belegschaft. Ich könnte mir gut vorstellen, dass so ein Plan die Unsicherheiten in der Belegschaft weiter verstärken wird. Zudem ist die Säurepolierung ein wesentlicher Bereich in der Produktion. Ich denke, dass es ohne beachtliche finanzielle Mittel schwierig werden wird, diesen Produktionsschritt in ein anderes Gebäude zu verlegen. Es fügt sich leider ins Bild, dass Teile der anscheinend betroffenen Gebäude auf den neuesten Stand gebracht werden, nur um sie dann wieder abzureißen und die Fläche verkaufen zu können. Dies verdeutlicht, dass das Management, wie in den vergangenen Jahren, keinen klaren Plan hat, wie der Standort gerettet werden kann.
Eder: Ich könnte mir vorstellen, dass die aktuelle Geschäftsleitung weiterhin Bestand verkauft, nur um das Ergebnis besser darzustellen. Es wurde ja bereits in der Vergangenheit ein großes Gebäude günstig abgestoßen, und man hat sich am Ende des Tages wieder eingemietet. Intern wird uns aber immer wieder gesagt, dass der Standort zu groß sei und auf den aktuellen Mitarbeiterstand angepasst werden muss. Dabei wird gezielt und bewusst Personal abgebaut, während an teureren Standorten – wie zum Beispiel im Schweizer Männedorf – neue Positionen und in Barcelona sogar ein neuer Standort geschaffen werden. Meiner Meinung nach wäre es viel sinnvoller, den Standort Wattens wieder entsprechend zu nützen und das Personal dort zusammenzuziehen. Das könnte durch den Verkauf des Gebäudes im Schweizer Männedorf und die Verlagerung von 90 % der Mitarbeiter von der Schweiz nach Wattens geschehen. Das wäre von enormem Vorteil, denn die Entscheidungsträger wären wieder näher an der Entwicklung und der Produktion. Zudem wären diese Jobs in Österreich günstiger und würde den Slogan, dass Wattens das Herz von Swarovski ist, wieder glaubhafter machen.
Was bedeuten die derzeitigen Pläne der Konzernführung Ihrer Ansicht nach für den Standort Wattens?
Eder: Meiner Meinung nach deutet alles auf den nächsten großen Schritt im Ausverkauf von Wattens hin. Bisher wurde alles unternommen, um Wattens schlecht zu rechnen und schlecht darzustellen, damit jeder Einschnitt gerechtfertigt werden konnte. Die Argumentationslinie folgt dabei stets demselben Muster: zu hohe Personalkosten, zu viele leerstehende Flächen, zu hohe Infrastrukturkosten – deshalb müssen Kosten gesenkt, Personal und Maschinen abgebaut und Finanzmittel dafür beschafft werden. Nun soll weiteres ‚Familiensilber‘ zu Geld gemacht werden. Ich denke aber, dass der Verkauf nicht so lukrativ sein wird, wie es das Management darstellt, da man für den Verkauf einiges an Geld in die Hand nehmen muss und am Ende wird weniger Fläche zur Verfügung stehen als geplant.
Es wird auch von einer Automatisierungswelle gesprochen, die kommen soll. Was ist hier geplant und wären dadurch auch Arbeitsplätze gefährdet?
Eder: Unseren Quellen zufolge sollen Maschinen abgebaut werden, bestenfalls werden einige davon durch hochautomatisierte neue ersetzt, etwa im Sortierprozess. Im schlechtesten Fall werden sie ersatzlos abgebaut. Natürlich würde das wieder Arbeitsplätze gefährden und die nächste Kündigungswelle einleiten.
Seitens der Konzernführung wird aber eine groß angelegte Kündigungswelle verneint…
Eder: Wir verlieren seit 17 Jahren Mitarbeiter, teils durch Kündigungswellen, teils durch ‚natürliche Fluktuation‘ – diese Phrase ist für mich schon das Unwort des Jahres 2025. Das sind all jene Mitarbeiter, die ein Unternehmen teils ungeplant, etwa durch Selbstkündigungen oder teils geplant, wie durch Pensionierungen, verliert. Diese Stellen werden nicht mehr nachbesetzt. Ich denke, es kann sich jeder ausrechnen, dass eine seit 17 Jahren bestehende natürliche Fluktuation horrende Auswirkungen auf die übriggebliebene Belegschaft bedeutet, denn das Arbeitsausmaß und die Belastungen werden nicht an den verringerten Mitarbeiterstand angepasst. Von Jänner 2023 bis Jänner 2025 haben wir bereits 524 Mitarbeiter verloren*. Seit 2007 haben nicht weniger als 4.000 Mitarbeiter ihre Jobs bei Swarovski verloren.
Wie stark wird Swarovski von der Schweiz aus geleitet bzw. welche Rolle spielt der Standort Wattens wirklich in den Plänen der Konzernführung?
Eder: In Wahrheit werden mittlerweile alle Entscheidungen in der Schweiz getroffen, sogar welche Lieferanten anzubinden sind. Wir können nicht mehr direkt beim Hersteller beziehen, sondern müssen aufgrund fragwürdiger Richtlinien von einem Händler kaufen. Das bedeutet, dass dasselbe Produkt um ein Vielfaches teurer wird. Langjährige gut funktionierende Geschäftsbeziehungen dürfen nicht mehr genutzt werden, weil diese Händler beispielsweise kein 90-Tage-Zahlungsziel gewähren können. Der Standort Wattens spielt in Wahrheit keine große Rolle mehr in den Plänen der Konzernführung, die auch kaum mehr eine eigene Produktlinie mit Kris-tall anbietet, sondern mehr auf Zirkonia setzt. Während Kristall in Wattens produziert wird, spielt Zirkonia für Wattens nur eine untergeordnete Rolle und schafft kaum Auslastung. Das alles macht es mehr als fraglich, ob Wattens das Herz von Swarovski bleiben soll. Die Strategien der Konzernführung sagen da etwas anderes. Wir sehen derzeit keine Stärkung, eher eine mehr oder weniger bewusste Schwächung. In dieses Bild passt auch die letzte Kündigungswelle, die sich durch eine erschreckende Planlosigkeit ausgezeichnet hatte.
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Anmerkung: Dabei handelt es sich nur um jene Einheiten, die seitens des Betriebsrates in Wattens vertreten werden, also von der D. Swarovski KG sowie der Daniel Swarovski Distribution GmbH.
NACHGEFRAGT
Das sagt der General Manager
Jérôme Dandrieux, seit 15. November 2024 Swarovski-Generalmanager in Wattens und Chief Human Resources Manager, wurde ebenfalls zum geplanten Werksgeländeverkauf schriftlich befragt und antwortete wie folgt:
„Es ist korrekt, dass wir die Produktions- und Verwaltungsabteilungen, die historisch bedingt weit über das Werksgelände verstreut sind, schrittweise näher zusammenbringen wollen, um effizienter zusammenarbeiten zu können. Die Planung dazu befindet sich aber noch in einem frühen Stadium: Man muss bei potentiell freiwerdenden Flächen erst Nutzungskonzepte entwickeln.
Über diese grundsätzliche Idee haben wir – wie Ihnen bekannt – die Gesellschafter im Spätherbst informiert und vor kurzem auch das erweiterte Führungsteam in Wattens.“
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