AK Zangerl: Lohnkosten kein Argument für höhere Lebensmittelpreise!
Gebetsmühlenartig wird vom österreichischen Handel behauptet, geringe Lohnsteigerungen und höhere Preise für Produkte im Handel seien durch die im Vergleich zu Deutschland hohen Lohnkosten gerechtfertigt. Dass das nicht korrekt ist, belegt nun ein Faktencheck der AK Tirol. „Wie diverse Personen zu dem Schluss kommen, dass die Argumente des österreichischen Handels ‚wissenschaftlich bewiesen‘ sind, ist mir ein Rätsel, denn das Gegenteil ist der Fall. Mit Fake News und Marketing-Maschen will man von dem Problem ablenken, dass es in Österreich keine Preistransparenz und damit deutlich höhere Preise als etwa im angrenzenden Bayern gibt“, stellt AK Präsident Erwin Zangerl klar.
Die Untersuchung der AK Tirol hat es in sich: Verglichen wurden die Lohnkosten eines/einer vollzeitbeschäftigten Verkäufer:in im Einzelhandel im 7. Berufsjahr auf Basis des kollektivvertraglichen Mindestlohnes für die Normalarbeitszeit – einmal in Österreich und einmal in Bayern (Vergleichszeitraum sind die Lohnkosten im 2. Halbjahr 2023). Sowohl ein österreichischer als auch ein deutscher Steuerberater wurden mit der Erstellung der monatlichen Lohnabrechnungen beauftragt, die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Argumente des Handels, wonach das österreichische Lohnsystem verantwortlich für die höheren Lebensmittelpreise sein soll, haltlos sind.
Bayern I: Weniger arbeiten, mehr verdienen
In Bayern wird weniger gearbeitet, aber mehr verdient. So beträgt der kollektivvertragliche Mindestlohn in Bayern 2.836 Euro brutto im Monat bei 37,50 Stunden pro Woche. In Österreich sind es 2.132 Euro brutto bei 38,50 Stunden. Auch in Bayern gibt es zwei Sonderzahlungen, die jedoch geringer ausfallen als in Österreich (13. und 14. Gehalt). Inklusive der Sonderzahlungen beträgt daher in Bayern der Gesamtjahresverdienst 37.222,50 Euro brutto, in Österreich 29.848 Euro brutto. In Bayern bekommen vergleichbare Verkäufer:innen also tatsächlich
um 25 % (!) mehr bezahlt als in Österreich. Und dies sogar bei gleicher Anzahl von Feiertagen und durchschnittlich mehr Urlaub (28,8 Urlaubstage in Bayern und 30,3 Urlaubstage im Einzelhandel in Deutschland). Hintergrund: In Deutschland ist es üblich, eine höhere Anzahl von Urlaubstagen bei der Einstellung zu verhandeln und zu vereinbaren.
Bayern II: Lohnkosten um 20 % höher
In Bayern muss ein Unternehmen jährliche Lohnnebenkosten von 9.230,99 Euro bezahlen, in Österreich 8.833,58 Euro. Die Lohnnebenkosten sind in Bayern daher um 4,5 % höher.
Insgesamt betragen die jährlichen Lohnkosten für die Arbeitgeber:innen in Bayern 46.453,49 Euro für 37,50 Wochenstunden, in Österreich 38.681,58 Euro für 38,50 Wochenstunden. Das bedeutet, dass die Lohnkosten in Bayern um mehr als 20 % höher sind als in Österreich.
Bei den ausschließlich von den Unternehmen zu zahlenden Abgaben zeigt sich zunächst, dass bei den „klassischen“ Sozialversicherungsbeiträgen (Kranken-, Pensions-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung sowie Insolvenzentgelt-Sicherung) beide Länder ziemlich gleichauf liegen. In Österreich sind dafür insgesamt 20,53 % zu zahlen, in Bayern 20,80 %. Bei den sonstigen Abgaben überholt Österreich dann Bayern, sodass ein Unternehmen in Österreich insgesamt 29,67 % an Abgaben zu entrichten hat, in Bayern 25,49 %.
Bayern III: Lohnunterschiede weit höher
Übrigens: Bei ungelernten Arbeitskräften würde der Lohnunterschied im 7. Berufsjahr noch viel höher ausfallen. In Österreich beträgt der kollektivvertragliche monatliche Mindestlohn 1.986 Euro brutto für 38,50 Wochenstunden. In Bayern hingegen 2.836 Euro brutto, da nach dem bayrischen Tarifvertrag eine vierjährige Berufserfahrung einer dreijährigen Berufsausbildung entgeltmäßig gleichgestellt ist.
Bundeswettbewerbsbehörde bestätigt Österreich-Aufschlag
Ebenso Realität ist, dass in Österreich Lebensmittel aufgrund eines Österreich-Aufschlags teurer sind, wie eine Untersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bestätigt: Der seit langem von der AK vermutete „Österreich-Aufschlag“ bei den Lebensmittelpreisen ist Fakt, denn die internationale Lebensmittelindustrie differenziert nach Ländern und verrechnet dem Lebensmitteleinzelhandel in Österreich für gleiche Produkte höhere Preise als etwa in Deutschland.
Rätsel um hohe Supermarktpreise aufgrund fehlender Transparenz
Die hohen Supermarktpreise in Österreich werfen allerdings noch weitere Fragen auf, denn noch immer gibt es keine Transparenz bei den Preisen bzw. bei der Frage „wer verdient wieviel“ an einem Produkt. Eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im Auftrag von AK und ÖGB zeigt auf, dass die Faktoren hinter den Preissteigerungen in Österreich teilweise im Dunkeln liegen. Zwar gebe es Kosten, die sich nachvollziehen lassen – wie die Kosten der Landwirte – allerdings fehlen offizielle Zahlen zu wichtigen Parametern wie Kosten und Profiten von Verarbeitern und Supermärkten. „Solange nicht alle Stufen der Wertschöpfungskette klar ersichtlich sind, bleibt der Kampf um niedrigere Preise ein Kampf gegen Windmühlen“, sagt dazu AK Präsident Zangerl. Er fordert erneut eine Preiskontrolle mittels Preisdatenbank, in welche alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten ihre Kosten bzw. Preise einmelden müssen. „In Frankreich funktioniert das seit über 10 Jahren, hier gibt es eine eigene Behörde, die dafür zuständig ist, dass die Daten erfasst werden und notfalls eingegriffen wird. So eine Aufsichtsbehörde bräuchte es in Österreich schon lange“, sagt Zangerl.
Davon ist Österreich jedoch weit entfernt. Anstelle einer umfangreichen Preisdatenbank brachte das Wirtschaftsministerium lediglich eine Preisvergleichs-App ins Gespräch, die jedoch bald wieder von der Tagesordnung verschwand. Zangerls Fazit: „Zumindest wurde die App nicht zum selben Fiasko wie das Kaufhaus Österreich. Die gesamte Regierung ist aber scheinbar nicht gewillt, die Teuerung zu bekämpfen und die Inflation zumindest auf den EU-Schnitt zu senken. Das grenzt schon an Arbeitsverweigerung. Es muss aber klar sein, dass dieses Nicht-Handeln zu einem Wohlstandsverlust führen wird, mit unabsehbaren Folgen für die Zukunft des Landes“, so Zangerl abschließend.
ANHANG: THEMA FILIALDICHTE
Ein weiteres Argument des Handels für höhere Preise stellt auch die in Österreich im Vergleich zu Bayern höhere Filialdichte dar. Zwar zeigt sich, dass das Filialnetz größerer Supermarktketten in Tirol dichter ist als in Bayern, es zeigt sich aber, dass sich die Filialdichten der jeweiligen Supermarktketten innerhalb eines Landes nicht extrem voneinander unterscheiden.
Innerhalb Tirols haben Ketten wie Spar und Mpreis ein dichtes Filialnetz, Billa ein weniger dichtes. In Bayern hat Edeka ein dichtes Netz, hier sind Rewe sowie Kaufland weniger oft vertreten. Wäre die Filialdichte und die sich daraus ergebenden Betriebskosten tatsächlich eine maßgebliche Ursache für die existierenden Preisunterschiede, dann müssten diese Preisunterschiede bereits innerhalb von Tirol zwischen den miteinander konkurrierenden Supermärkten viel größer sein, beispielsweise zwischen Billa (mit einer geringen Filialdichte) und Spar oder MPreis (mit jeweils hohen Filialdichten). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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