Selina Eder, Zentralbetriebsrats-Vorsitzende Swarovski
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23.12.2025

"Mit dem Management von heute wäre Swarovski schon lange verschwunden"

Seit 2007 wurden bei Swarovski Wattens nicht weniger als 5.000 Arbeitsplätze abgebaut, Jahr für Jahr sinkt die Zahl weiter, nun sollen wieder 400 Beschäftigte gehen. Zentralbetriebsrats-Vorsitzende Selina Eder spricht im Interview mit der Tiroler Arbeiterzeitung (TAZ) über schwierige Jahre und fehlende Perspektiven.

TAZ: Frau Eder, Sie haben bereits im Frühjahr davor gewarnt, dass die Strategie des Managements in die falsche Richtung weist. Ihre Befürchtungen scheinen jetzt Realität zu werden…

Selina Eder: Ja, das ist bitter und es hat auch keinen Sinn, die Situation zu beschönigen. Mittlerweile gibt es seit 17 Jahren bei Swarovski jeweils kurz vor Weihnachten eine Verkündigung der besonderen Art, nämlich, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgebaut werden. Die Hoffnung, dass sich daran etwas ändert, ist bei vielen Beschäftigten mittlerweile nicht mehr vorhanden. Zudem scheitert jeder Versuch, auf das Mangement einzuwirken. Nur ein Beispiel: Wir haben das Management auch heuer bereits vor Wochen aufgefordert, Klartext zu sprechen und die Pläne für den Standort Wattens offenzulegen, um nicht wieder mit Mitarbeiterabbau in den Advent gehen zu müssen – man hat das schlichtweg ignoriert.

Wer trifft die Entscheidung, wann und wie kommuniziert wird?
Eder: Die Entscheidungen über die Kommunikation – zeitlich wie inhaltlich – werden wie immer von der Konzernleitung in der Schweiz aus getroffen und hier gehen die Uhren scheinbar anders. Aber es ist ein entlarvendes Signal, wie wenig der Führung an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegt, die eben als bloßer Teil einer Kostenrechnung gesehen werden. Für die Belegschaft war die heurige Verkündigung traurigerweise nicht einmal eine große Überraschung, da sie aufgrund der geringen Auslastung und der allgemein wenig zufriedenstellenden Lage bei Swarovski schon darauf eingestellt war. Was dennoch überraschte, war die hohe Zahl an Arbeitsplätzen, die abgebaut werden soll, sowie die Aufforderung der flächendeckenden Arbeitszeitreduktion von zumindest 10 Prozent für die verbleibenden Kollegen. All das in der Hoffnung, dass die Umsätze bis 2026 wieder anziehen und damit der bzw. die ein:e oder andere Beschäftigte vor dem Jobverlust bewahrt werden könnte. Für einen Umsatzanstieg gibt es derzeit aber kein einziges Indiz.

Was die Konzernleitung allerdings nicht so sieht, vertraut man dem Presse-Statement des Unternehmens…
Eder: Die Pläne, die laut Management 2026 Umsatz bringen sollen, sind aus unserer Sicht viel zu unsicher. Ich denke, das ist auch der Konzernführung bewusst, weshalb man das unternehmerische Risiko komplett auf die Beschäftigten abwälzen will. Das können wir nicht hinnehmen. Wir wollten eine Zusicherung, dass diejenigen Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit reduzieren, für den Zeitraum der Reduktion und weitere sechs Monate nicht gekündigt werden. Diese Zusage wurde uns leider nicht gewährt. Das zeigt, dass das Management seinen eigenen Plänen nicht vertraut, hier wird auf Kosten der Beschäftigten hasardiert, aber keine tragfähige Strategie erarbeitet. Das zeigt sich auch darin, dass sogar in Abteilungen, in denen die Personaldecke viel zu dünn und daher die Belastung extrem hoch ist, ebenfalls Personal eingespart werden soll. Wie dieser Spagat zu schaffen ist, bleibt ein Rätsel.

Als Sie im Frühjahr auf die schwierige Situation bei Swarovski hingewiesen haben, wurden Sie dafür heftig kritisiert…
Eder: Die Kritik war zu erwarten, es wird ja immer der Überbringer der Botschaft an den Pranger gestellt und nicht derjenige, der die Misere verursacht. Was aber auffallend war, waren die vielen persönlichen Angriffe, die Fake News in diesem Zusammenhang und der Druck, der ausgeübt wurde. Ich denke, einigen in der Führungsetage war bzw. ist unser Engagement nicht recht und dass wir die Dinge beim Namen nennen. Aber ich stehe, im Gegensatz zu einigen Konzernchefs, zu den Beschäftigten und zum Standort Wattens. Und ich kann nur wiederholen: Hätte es in den 1970er Jahren ein ähnliches Management gegeben wie heute, dann würde es Swarovski schon lange nicht mehr geben. Damals hat man in schwierigen Zeiten auf die Belegschaft gehört und  ihr Potenzial erkannt und genutzt – im Unterschied zu heute.

Was hat sich geändert?
Eder: Heute dreht sich alles nur noch um  Marketingfloskeln und nicht mehr um Inhalte und Innovationen. Uns wird seit Jahren gesagt, Wattens sei das Herz und die Wiege von Swarovski, gelebt wird das allerdings schon lange nicht mehr. Mittlerweile wird im Zuge des 130-Jahre-Jubiläums in Promotion-Artikeln sogar Wien als Wiege von Swarovski gefeiert und nicht Wattens. Das zeigt einmal mehr, dass alle Bekenntnisse zum Tiroler Standort reine Lippenbekenntnisse sind.

TAZ: Was sind nun die konkreten Forderungen des Betriebsrats?
Eder: Uns ist bewusst, dass auch die aktuelle wirtschaftliche Lage ihren Anteil an der derzeitigen Situation hat, aber aus meiner Sicht ist das Missmanagement der letzten Jahre auf höchster Ebene die wahre Ursache dieser Krise. Hier ist dringend Handlungsbedarf gegeben, damit wir die Herausforderungen bewältigen können. Dazu müsste man aber Fehler eingestehen und aus ihnen lernen wollen.

zitiert

"Mittlerweile gibt es seit 17 Jahren bei Swarovski kurz vor Weihnachten eine Verkündigung der besonderen Art, nämlich, dass Mitarbeiter abgebaut werden.“

Selina Eder,
Zentralbetriebsrats-Vorsitzende Swarovski

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