AK Präsident Erwin Zangerl blickt ernst in die Kamera.
© AK Tirol/ Angelo Lair
19.11.2024

Mystery-Calling zeigt: Jeder 3. Facharzt nimmt keine Patient:innen mehr auf!

Die aktuelle AK Umfrage brachte alarmierende Ergebnisse: Die ärztliche Unterversorgung in Tirol nimmt dramatische Ausmaße an!
Laut jüngstem OECD-Bericht zur Lage der Gesundheitsberufe gilt Österreich als eines von 20 Ländern, die einen Ärztemangel ausweisen. Und obwohl Österreich über die dritthöchste Ärztedichte in der EU verfügt, sieht die Realität bei der Behandlung völlig anders aus, dies zeigt auch das Beispiel Tirol. Eine Umfrage der AK Tirol bei den Tiroler Fachärztinnen bzw. Fachärzten bringt nämlich alarmierende Ergebnisse und bestätigt den jüngsten OECD-Bericht: In mehr als jeder dritten Facharztordination konnte kein Termin vereinbart werden – meist aufgrund von Aufnahmestopps für neue Patientinnen bzw. Patienten. Besonders dramatisch dabei ist die Situation in der Dermatologie, der Augen- und Kinderheilkunde sowie der Gynäkologie. So war es etwa bei 60 Prozent der Hautärztinnen und Hautärzte nicht möglich, behandelt zu werden. Auch im Akutfall ist es schwierig, einen Behandlungstermin zu bekommen – Fragen nach Akutterminen wurden sogar häufiger abgelehnt als Kontrolltermine! Für AK Präsident Erwin Zangerl ein untragbarer Zustand. „Wie unsere Umfrage zeigt, fehlen nicht nur im Pflege- und Gesundheitsbereich die Kapazitäten, auch bei der ärztlichen Versorgung gibt es in Tirol eine gewaltige Schieflage. Ich rufe daher alle Verantwortlichen auf, neben der Pflegemisere auch die ärztliche Misere zu bekämpfen“, so der Tiroler AK Präsident.

Lange Wartezeiten, Ärztemangel, Zweiklassen-Medizin: Das, was viele Tirolerinnen und Tiroler bisher nur aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen berichten konnten, liegt nun statistisch aufbereitet vor. Und die Ergebnisse der verdeckten Umfrage in den Tiroler Facharztordinationen – durchgeführt vom Linzer Marktet Institut im Auftrag der AK – zeigen zum ersten Mal, wie groß das Problem wirklich ist.

offen gesagt

"Wir sehen, dass wir nicht nur in der Pflege vor massiven Problemen stehen, sondern auch bei der ärztlichen

Versorgung. Ich rufe alle
Verantwortlichen auf, alles Notwendige zu tun, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen!"

Erwin Zangerl
AK Präsident

Keine Termine

In zehn medizinischen Fachbereichen wurden vom 17. September bis zum 18. Oktober 2024 jeweils zwei Anrufe durchgeführt, sogenannte Mystery-CallsEinmal mit der Bitte um einen Kontrolltermin, im zweiten Fall mit einem konkreten medizinischen Problem (Akutszenario). Eine wesentliche Erkenntnis aus den anonymen Testanrufen ist zunächst der Umstand, dass nur bei knapp zwei Drittel aller kontaktierten Fachärzte eine Terminvereinbarung möglich war. Das heißt im Umkehrschluss: In mehr als jeder dritten Fachordination im Land konnte kein Termin vereinbart werden – meist weil es einen Aufnahmestopp für neue Patient:innen gibt. Erschreckend dabei ist auch die Tatsache, dass die Akutszenarien mangels Kapazitäten sogar noch häufiger abgelehnt werden mussten als Anfragen für Kontrolltermine.

„Die Ergebnisse dieser Umfrage sind alarmierend und zeigen, dass die ärztliche Versorgung in Tirol ziemlich im Argen liegt“, so AK Präsident Erwin Zangerl.

Besonders betroffen ist der Bereich der Dermatologie, wo es bei über 60 Prozent aller kontaktierten Ärztinnen und Ärzte nicht möglich war, behandelt zu werden. Deutliche Einschränkungen gibt es auch in der Augen- und Kinderheilkunde sowie der Gynäkologie. Bei Kassenärzten lag die Ablehnungsquote bei 42 %, bei Wahlärzten war sie etwas niedriger, trotzdem liegt die kumulierte Ablehnungsquote noch bei einem Drittel (33 %).

Bitte warten!

Ist grundsätzlich eine Terminvereinbarung möglich, dann beträgt die durchschnittliche Wartezeit bis zum Termin – quer über alle Fachbereiche und Szenarien – in etwa ein gutes Monat (33 Tage). Die längsten Wartezeiten zeigen sich hier im Bereich der Urologie (58 Tage) bzw. bei der Zahnheilkunde (49 Tage), gefolgt von Innerer Medizin, Augenheilkunde und Dermatologie (43 Tage).  An dieser Stelle macht es jedoch sehr wohl einen Unterschied, ob man bei einem Kassen- oder bei einem Wahlarzt anfragt. „Bei letzteren fällt die durchschnittliche Wartezeit mit 23 Tagen nur etwa halb so lang aus als wie bei Kassenärzten. Und: Drei Viertel aller Akutszenarien konnten innerhalb einer Woche bedient werden, wohingegen die Wartezeit bei Kontrollszenarien im Schnitt mit 50 Tagen etwa viermal so lange ausfällt“, so Werner Beutelmeyer, Leiter des Market Instituts in Linz. Interessant ist auch die Tatsache, dass Termine bei Kassenärzten trotz Hinweis auf eigene Kostenübernahme nicht schneller vereinbart werden konnten.

„Wir sehen, dass wir nicht nur in der Pflege vor massiven Problemen stehen, sondern auch bei der ärztlichen Versorgung. Wer einen schnelleren Termin will, muss dafür zahlen. Ich rufe alle Verantwortlichen auf, dieses Problem anzugehen und alles Notwendige zu tun, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, so der Appell von AK Präsident Zangerl.

Alle Ergebnisse im Detail finden Sie in der rechten Spalte zum Herunterladen.

AK Facts: Mystery-Calls

Die Testanrufe zu einer möglichen Terminvereinbarung wurden vom Market-Markforschungsinstitut aus Linz im Auftrag der AK Tirol durchgeführt. Angerufen wurden Tiroler Fachärzt:innen aus zehn Fachbereichen (n=609), sowohl Kassen-, als auch Wahlärzt:innen. Der Befragungszeitraum lag zwischen dem 17. September und dem 18. Oktober 2024, die Schwankungsbreite liegt bei +/-4 %. Ziel war,   Terminvereinbarung für ein vorgegebenes Kontroll- bzw. Akutszenario zu erhalten.

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