AK Präsident Erwin Zangerl © AK Tirol/Berger
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AK Zangerl zu den Strompreisen: "Tirol verspielt seinen Standortvorteil!"

Teure Energie, teures Wohnen, teure Lebensmittel: Der Druck auf die Menschen wird immer größer, während nachhaltige Maßnahmen, etwa zur Inflationssenkung, kaum erfolgen. AK Präsident Erwin Zangerl warnt im Interview vor Gierflation und sozialer Kälte, er erklärt, warum es höchst an der Zeit ist, dass Preise gesenkt und Konzerne zur Transparenz verpflichtet werden, und warum Tirol seinen Standortvorteil aufgrund seiner Energiepolitik verspielt.

Herr Präsident, Sie haben bereits im Jänner die Befürchtung geäußert, dass die hohe Inflation gekommen ist, um zu bleiben...
Zangerl: Wenn man sich angesehen hat, mit welchen Mitteln man gegen die Inflation vorgegangen ist, war das eigentlich klar. Es wurden Milliarden Euro ausgegeben, Hilfsgelder, die komplett verpufft sind. Mit 500 Euro kann niemand auch nur einen Monat die Miete zahlen, der fragt sich dann im nächsten Monat, wie es weiter gehen soll. Und die Zahl derer, die sich das fragen, wird von Monat zu Monat größer.

Wo liegen Ihrer Ansicht nach die größten Probleme bei der Inflationsbekämpfung?
Dass man nicht dort eingreift, wo es notwendig wäre. Es werden Gutscheine ausgegeben, anstatt die Mieten zur Krisenbewältigung zeitlich einzufrieren.  Man spricht von einer Abschöpfung der Übergewinne anstelle die Energiepreise zu limitieren, etwas, das wir übrigens bereits im Herbst 2021 gefordert haben. Es gibt keine Transparenz bei den Energiekonzernen, obwohl sie zum überwiegenden Teil in öffentlicher Hand stehen, und es gibt auch keine Transparenz bei den Lebensmittelkonzernen – anstelle die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auszusetzen, will man einen Preisrechner für Lebensmittel, der vermutlich wie das „Kaufhaus Österreich“ werden wird. Die Politik hat das Gespür für die Menschen scheinbar völlig verloren. Den meisten steht das Wasser bis zum Hals – und da ist auch der sogenannte Mittelstand nicht mehr ausgenommen – während die Bundesregierung uneinig ist und keine geeigneten Maßnahmen zur Entlas­tung setzen kann. Da liegen die Probleme. Hinzukommt, dass aufgrund der beliebten Indexierung vom Kredit- bis zum Handyvertrag alles teurer wird, je höher die Inflation ist. Auch hier müsste eingegriffen werden.

Bleiben wir bei der Transparenz. Sie kritisieren massiv die TIWAG und ihre starre Haltung eben in punkto Transparenz…

Aus diesem Grund haben wir auch Klage eingebracht. Es muss endlich klar ersichtlich sein, wie der Strompreis zustande kommt. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen, das zu 100 Prozent im Landeseigentum steht, ausschließlich dem Gewinn verpflichtet ist und nicht den Tiroler:innen oder seinen Mitarbeiter:innen. Das schadet ja nicht nur den Haushaltskunden, sondern der Wirtschaft, dem Tourismus, der Industrie und damit dem Land an sich, obwohl Wasser Land und Leuten gehört. Dadurch verspielt Tirol einen wichtigen Standortvorteil. Es versteht doch niemand, dass ein Unternehmen wie die TIWAG enorme Mengen an Strom aus Wasserkraft produziert, sie außer Landes transportiert und dann kommt der Strom wieder zurück zu Börsenpreisen und vermutlich alles andere als sauber. Die TIWAG muss die Verpflichtung haben, die heimische Bevölkerung mit günstiger Energie zu versorgen und soll nicht mit dem Eigentum der Tiroler:innen spekulieren.

Aber die Dividende, die die TIWAG ans Land ausschüttet, kommt ja wieder dem Land zugute…
Das Problem daran ist, dass die Kund:innen der TIWAG dann über unrechtmäßige Strompreiserhöhungen Abgänge im Landesbudget gegenfinanzieren. Der finanzielle Rahmen des Landes beinhaltet aber auch die Steuern, die alle Tirolerinnen und Tiroler leisten müssen. So zahlen nur die Kundinnen und Kunden der TIWAG. Wenn das auf diese Art gemacht wird, ist das nichts anderes als eine versteckte Steuer und das kann es nicht sein. Außerdem ist es rechtlich höchst fragwürdig, ob man mit Erlösen, die ein Unternehmen aus dem Strommarkt erzielt, andere, branchenfremde Baustellen quasi gegenfinanzieren kann.

Sie haben bereits gesagt, dass viele nicht wissen, wie sie angesichts der Teuerung über die Runden kommen sollen. Wie erleben Sie die Stimmung in der Bevölkerung?
Es ist eine Mischung aus Resignation und Depression. Was nicht verwundert. OMV und Verbund zahlen die höchste Dividende in ihrer Geschichte, die 20 größten ATX-Konzerne schütten 5,5 Milliarden an Dividenden aus, während der größte Teuerungsschub seit über 30 Jahren vielen die Luft zum Leben nimmt. Man erkennt ganz deutlich den Hang zur Gierflation, der in Österreich herrscht und der das soziale Gefüge in Schieflage bringt. Das ist beschämend. Der Mittelstand dünnt aus, die Armut steigt massiv und viele Junge resignieren, weil sie keine Perspektive mehr haben und keine Chance sehen, sich eine Existenz aufzubauen. Und die Bundesregierung versucht das Feuer mit Benzin zu löschen, indem sie immer mehr Geld verschenkt. Die Gierflation zeigt sich auch bei den Energiekonzernen. Hier liegt der Verdacht nahe, dass die Preise angehoben und gleichzeitig die Strompreisbremse abgriffen wird. Im Lebensmittelhandel teilt sich eine handvoll Konzerne den Markt in Österreich auf und ist nicht interessiert an einem Preiskampf um Kunden. Deshalb sind viele Preise oft ident und im Vergleich zu Deutschland etwa viel höher. Damit steigt auch der Gewinn der Konzerne. Der Bund hat diesen Entwicklungen viel zu lange zugesehen, letztendlich befürchte ich, dass das zu gesellschaftlichen  und politischen Fehlentwicklungen führt. Man darf die soziale Kälte, die sich durch die permanenten Krisen und ihre oft planlose  Bewältigung ausgebreitet hat, nicht unterschätzen: Die soziale Kälte ist ebenso gefährlich wie der Klimawandel.

OFFEN GESAGT

"Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen, das zu 100 Prozent im Landeseigentum steht, ausschließlich dem Gewinn verpflichtet ist und nicht den Tiroler:innen oder seinen Mitarbeiter:innen. Das schadet ja nicht nur den Haushaltskunden, sondern der Wirtschaft, dem Tourismus, der Industrie und damit dem Land an sich, obwohl Wasser Land und Leuten gehört. Dadurch verspielt Tirol einen wichtigen Standortvorteil."

Erwin Zangerl,
AK Präsident

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"Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen, das zu 100 Prozent im Landeseigentum steht, ausschließlich dem Gewinn verpflichtet ist und nicht den Tiroler:innen oder seinen Mitarbeiter:innen. Das schadet ja nicht nur den Haushaltskunden, sondern der Wirtschaft, dem Tourismus, der Industrie und damit dem Land an sich, obwohl Wasser Land und Leuten gehört. Dadurch verspielt Tirol einen wichtigen Standortvorteil."

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